Inside WikiLeaks
probierte dann, das Verstandene richtig auszusprechen. Die isländischen Namen waren für jemanden wie Julian, der sich mit ausländischen Begriffen ohnehin schwertat, ein Problem. So wurde aus Birgitta Brigitta. Und das blieb auch so – obwohl sie uns die nächsten Monate über begleiten und bald zu einer engen Vertrauten werden sollte.
Ich habe mich in Island auch tätowieren lassen. Ich finde Tätowierungen toll, allerdings suche ich dabei immer nach Motiven mit einem besonderen, persönlichen Bezug. Ich nehme neue Tätowierungen gerne als Erinnerung an besondere Orte mit nach Hause. Island war so ein besonderer Ort.
Ich überlegte lange hin und her. Die Idee, mir die Sanduhr von WL auf den Rücken tätowieren zu lassen, kam mir spontan, ich hatte vor längerer Zeit schon einmal daran gedacht, den Gedanken aber wieder verworfen. Ich weiß noch, dass ich Julian davon erzählte und er die Idee gut fand. Später hat er sich immer wieder darüber lustig gemacht, wie armselig er das gefunden hätte.
Leute aus dem »Karamba«, einem Café, in dem ich nachmittags oft Americanos trank und an meinem Rechner arbeitete, empfahlen mir die »Icelandic Tattoo Corp« in der Hjallabrekku 1.
Das Tätowierstudio lag hinter einer Milchglasscheibe an der Hauptstraße, und als ich die bimmelnde Tür aufschubste, begrüßte mich im Laden ein junger Mann, der sogar Deutsch sprach. Er schüttelte den Kopf, als ich nach Terminen fragte. Keine Chance, nicht mal in den nächsten Monaten. Er lachte, als hätte ich gefragt, ob er an den Weihnachtsmann glaube. Ich wollte mich schon zum Gehen wenden, als ein zweiter Tätowierer aus einem der hinteren Räume guckte und mich erkannte.
»Hey! I’ve seen you on TV and I like what you do!«
Er kam lächelnd auf mich zu, gab mir die Hand und sagte, sein Name sei Fjölnir. Ich zeigte ihm das Motiv. Er gab mir sofort einen Termin.
Leider ist die Tätowierung nur zur Hälfte fertig geworden, weil der Tätowierer und ich nach mehr als vier Stunden erschöpft aufgaben. Ich musste zwei Paracetamol mit viel Wasser herunterspülen und fragte Fjölnir ständig, auf welchem Kontinent des Logos er denn gerade sei.
»Now doing iceland.«
Ich seufzte.
»Morocco.«
Oh, mein Gott!
Bei Cape of Good Hope war meine Hoffnung am Ende. Wir beschlossen, uns zu vertagen.
Und so laufe ich noch heute mit einem halben WL -Logo durch die Welt. Und das wird wohl auch so bleiben. Ich finde, es passt gut.
An einem der letzten Tage in Reykjavik, wir saßen wieder einmal im »Café Rot«, schnappte ich mir Julian und wir gingen ein bisschen spazieren. Ich wollte mit ihm reden. Wir marschierten zusammen Richtung Hafen und ließen uns dabei den Schnee auf die Mütze rieseln.
Ich hätte gerne herausgefunden, was eigentlich gerade mit uns los war. Ich konnte nur vermuten, was ihn störte. Zum Beispiel war Julian in letzter Zeit peinlich darauf bedacht, dass er mindestens 52 Prozent der Aufmerksamkeit bekäme und ich nur 48. Vielleicht sah er in mir jemanden, mit dem er etwas teilen müsste. Jemanden, der sich mit seinen Federn schmückte, der auch gelobt werden wollte für das tolle Projekt und der eigenständige Gedanken entwickelte, wie es mit WL am besten weiterginge. Den Misserfolg zu teilen war einfach gewesen. Aber jetzt auch den Erfolg uns beiden zuzuschreiben, war nicht ganz so einfach. Ich versuchte, seine negativen Gefühle zu verstehen und sie so gut wie möglich zu zerstreuen. Für mich war klar, dass er der Gründer von WL war und ihm niemand seine Schöpfung streitig machen wollte. Ich hatte indes auch meinen Anteil am Erfolg. Ich leistete gute Arbeit, und es gab keinen Grund, warum ich das nicht sagen sollte.
Ich kehrte damals in die Pension zurück mit dem Gefühl, dass uns das Gespräch gut getan hatte. Während ich im Eingang meine verschneiten Klamotten abklopfte, dachte ich, dass wir in den vergangenen Wochen vielleicht ein bisschen unter Stress gestanden hatten. Jetzt wäre alles wieder beim Alten.
Die Zwangspause
Auch wenn WL nach außen ausschließlich von Julian und mir repräsentiert wurde – unsere Mär von dem starken Team im Hintergrund war nicht komplett gelogen. Neben vielen Gelegenheits-Unterstützern gab es bereits zwei besonders ausdauernde, aber stille Helfer. Wir nannten sie den »Techniker« und den »Architekten«.
Dass wir die beiden nicht öffentlich bekannt machten, hatte vor allem zwei Gründe: Sie waren nicht sonderlich erpicht darauf, als Mitstreiter von WL ins
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