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Inside WikiLeaks

Titel: Inside WikiLeaks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Domscheit-Berg
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ein großes Doppelbett. Ich drehte mich zur Seite und zog mir das Kissen über den Kopf.
    Es gab auch Streit, weil fast immer er es war, auf den man warten musste. Es ist ohnehin schon schwer, eine größere Gruppe von – zumal anarchistisch veranlagten – Menschen zu koordinieren, dafür braucht es echten Organisationswillen. Ob wir nun einen Termin hatten oder einfach nur zum Essen gehen wollten, in schöner Regelmäßigkeit standen alle ausgehbereit in der Tür, nur Julian ließ sich noch einmal bitten. Ich war der Einzige, der das ernsthaft ansprach, der böse wurde, wenn Julian einfach weiter an seinem Laptop tippte. Die anderen warteten lieber stoisch, bis er sich aufraffte.
    Mir ging es nicht mehr gut. Ich hatte mich in Stress und Sorgen und Gereiztheiten verheddert und kam keine Minute mehr zur Ruhe. Island war ein schönes Land – später reiste ich mit meiner Familie dorthin, um Urlaub zu machen –, aber irgendwas in dem Apartment, in der Luft, in dem schwefeligen Wasser, der Sonnenlosigkeit, dem Chaos und an Julians Chefattitüde hatte mich mürbe gemacht. Bevor ich durchdrehen würde, buchte ich mir für den 5. Februar einen Flug nach Hause.
    »Übermorgen bin ich weg hier, ich kann nicht mehr«, sagte ich ihm.
    Der Abschied war nicht mehr herzlich.
    Es sollte das letzte Mal sein, dass wir uns persönlich sahen. Danach verlagerte sich unsere Kommunikation wieder vollständig in den Chat.

Zurück in Berlin
    Vom Flughafen Schönefeld aus fuhr ich mit der S-Bahn direkt nach Mitte, zu dem roten Gästesofa im Keller des Chaos Computer Clubs. Dort übernachtete ich oft, wenn ich in Berlin zu Besuch war.
    Ich ließ die Ohren hängen. Hätte ich in dem Moment gewusst, dass ich in wenigen Stunden die Frau kennenlernen würde, die ich ein paar Monate später heiraten sollte, ich wäre vielleicht nicht so am Boden zerstört gewesen. Es war auf jeden Fall immer wieder sehr nett von meinem Leben, dass es Glück und Unglück so dicht aufeinander folgen ließ.
    Aber noch schlurfte ich traurig durch die Clubräume. Viel sonniger als in Island war es in Deutschland auch nicht. Auf die erwartungsvollen Fragen der anderen, wie es mir in Island und mit IMMI ergangen sei, winkte ich ab. »Ich bin müde.« Die anderen ließen mich in Ruhe. Die Gefahr, von jemandem genervt oder mit neugierigen Fragen gelöchert zu werden, war zum Glück gering.
    Ich ging Richtung Friedrichstraße, um etwas zu essen zu kaufen. Obwohl ich das sehr selten tue, drehte ich mir einen Joint und versuchte mich zu entspannen. Zufällig landete ich wenig später im »Dada Falafel«, dem szenigen orientalischen Schnellrestaurant am Oranienburger Tor. Noch zufälliger traf ich dort Sven, einen Bekannten, der in Begleitung einer Frau da war.
    Sven stellte uns etwas gestelzt vor: »Das ist Daniel, Mr. WikiLeaks in Deutschland.« Dabei zeigte er auf mich. »Das ist Anke, die arbeitet für Microsoft.« Er deutete auf meine zukünftige Frau und fügte hinzu: »Die ist aber trotzdem ganz nett.« Ich biss in meinen Falafel und musterte Anke über den Matsch aus Krautsalat und Hummus hinweg. Coole Frau. Chic gekleidet, viel Wille zum eigenen Stil. Sehr selbstbewusstes Auftreten. Guter Humor.
    Wir sollten den ganzen Abend lang reden. Unsere Umgebung verschwand immer weiter in den Hintergrund, das Essen wurde erst kalt und erstarrte dann zu festen Klebeformationen auf den Tellern. Irgendwann nahm uns jemand das Gedeck weg. Sie hätten um uns auch die komplette Inneneinrichtung auswechseln, neben unseren Füßen Feuerwerkskörper zünden oder 100-Dollar-Noten verschenken können, wir blieben versunken in das Gespräch.
    Anke hatte damals kaum von WL gehört, wusste so gut wie nichts über Julian und mich. Sie befasste sich bei Microsoft mit Open-Government-Strategien. Also im Prinzip mit Transparenz von oben, während wir von unten kamen. Ich glaube, sie machte ziemlich gute Arbeit da.
    Anke twitterte über alles, was ihr passierte. Und sie schrieb noch am selben Abend einen Tweet, dass sie »einen der WL -Founder im Dada Falafel kennengelernt« hätte und wie spannend wir uns unterhalten hätten.
    Gegen halb zwei kehrte ich zurück in den Club. Mein Kopf war voller Gedanken, viele drehten sich um die Vergangenheit, einige aber auch um die Zukunft. Ich blieb lange wach. Immerhin war es ein gutes Gefühl, als ich dann in den Schlafsack kroch: Ich war nachts endlich mal wieder allein. Und ich dachte seit langem mal wieder an eine Frau. Ich fragte mich, ob ich

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