Inspector Alan Banks 01 Augen im Dunkeln
ist es mir irgendwie komisch vorgekommen, aber dann hab ich nicht mehr weiter darüber nachgedacht.»
«Was war es denn?»
«Ja, also, ich kam gerade von einem Besuch bei Eloise Harrison zurück. Sie wohnt zwei Straßen weiter unten, auf der Culpepper Avenue, und es ist ein ziemlich weiter Weg, wenn man vorne über die Hauptstraße geht. Also hab ich die Abkürzung über die Rückseite genommen. Es gibt da einen kleinen Durchgang zwischen den Häusern, auf dem man zur nächsten Straße kommt, verstehst du? Ich gehe also immer durch die Gartentür auf die kleine Allee, dann durch die Passage zwischen den Häusern, überquere die Straße, mache das Ganze noch mal von vorn und lande direkt in Eloises Garten.
Um nun auf den Mittwoch zurückzukommen, das war ein ziemlich dunkler und feuchter, einfach ein unfreundlicher Abend, und als ich in unsere Allee einbog, bin ich fast mit diesem Mann zusammengestoßen. Eigentlich war das komisch, und ich dachte noch, daß er wohl einfach so dagestanden sein mußte, ich weiß auch nicht, aber wenn wir uns beide bewegt hätten, wären wir bestimmt richtig zusammengerasselt. Na, ich hab jedenfalls einen ganz schönen Schreck bekommen, das kann ich dir sagen. Es ist ziemlich finster da draußen, bis auf das Licht aus den Häusern, und die Ecke ist verdammt einsam. Wie auch immer, ich bin, so schnell ich konnte, durch die Gartentür und hinein ins Haus. Hinterher hab ich dann nicht mehr viel an die Sache gedacht, aber jetzt, wo du davon redest, bin ich ziemlich sicher, daß er tatsächlich gestanden und auf dem Weg herumgelungert hat.»
«Weißt du noch, wie er aussah?»
«Tut mir leid, Liebes, aber ich konnte ihn wirklich nicht sehr gut sehen. Wie gesagt, es war dunkel, und dann der Schock und das alles - da bin ich einfach weggelaufen. Ich glaube, er hatte einen schwarzen Regenmantel an, mit einem Bindegürtel, und der Kragen war hochgeschlagen. Außerdem trug er einen Hut, sicher wegen des Regens, ich hätte also sein Gesicht ohnehin nicht erkennen können, auch wenn ich gewollt hätte. Es war eins von diesen weichen Filzdingern .. . wie heißen die doch gleich? Schlapphüte, richtig, das ist es. Ich glaube, er war ziemlich jung, ja, nicht einer von diesen alten Schmuddeltypen.»
«Wie kommst du darauf?»
«Ich weiß auch nicht, wirklich nicht», antwortete Selena sehr langsam, als habe sie Mühe, ihre Instinkte und Ahnungen in Worte zu kleiden. «Es war einfach die Art, wie er sich bewegt hat. Und der Schlapphut sah irgendwie viel zu alt aus für ihn.»
«Immerhin, vielen Dank», sagte Sandra, die es eilig hatte, nach Hause zu kommen, um sich Notizen zu machen, solange die Informationen noch frisch waren.
«Meinst du, das war der Kerl?»
«Keine Ahnung, aber die Polizei wird bestimmt dankbar sein für jeden Hinweis über irgendwelche verdächtige Unbekannte, die sich in der Gegend herumtreiben.»
Selena nestelte an ihrem spitzen Ausschnitt, der gerade die richtige Menge cremefarbener Haut enthüllte, um das Bild ihrer wasserstoffblonden Locken um ihr mondförmiges, reichlich geschminktes Gesicht abzurunden. «Wenn er das war, dann beobachtet er uns. Mich und dich, Josephine und Annabelle - entsetzlich!»
«Du solltest dir darüber nicht so viel Gedanken machen, Selena», meinte Sandra mit einem heimlichen Vergnügen an der Idee, daß sie diese Frau über Ängste hinwegzutrösten suchte, die sie selbst erst geweckt hatte. «Bestimmt war es nur jemand, der eine Abkürzung genommen hat.»
«Aber es war wirklich ein ausgesprochen ekliger Abend, da steht doch kein normaler Mensch draußen rum. Er muß irgendwas im Schilde geführt haben. Er hat spioniert.»
«Ich werde Alan davon erzählen, und ich bin sicher, daß sich die Polizei darum kümmern wird. Man kann nie wissen, Selena, vielleicht führt dein Hinweis auf eine Spur und zu einer Verhaftung.»
«Könnte das sein?»
«Ja, durchaus. Wenn es wirklich der Mann war.»
«Aber ich könnte ihn doch nicht identifizieren - vor Gericht oder bei diesen Gegenüberstellungen, die es da immer gibt. Wirklich, ich konnte ihn nicht sehr gut sehen.»
«Das hab ich auch nicht gemeint. Mach dir keine Sorgen, niemand wird das von dir erwarten. Ich wollte damit nur sagen, daß die Polizei schon wissen wird, wo sie ihn zu suchen hat, wenn sie erst weiß, daß er sich in dieser Gegend hier herumgetrieben hat.»
Selena nickte mit offenem Mund und ohne rechte
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