Inspector Alan Banks 01 Augen im Dunkeln
sich von selbst; alles sah aus wie für eine Schau arrangiert, seltsam unwirklich und nicht für den Gebrauch geeignet.
«Gerade eben hab ich noch zu Kevin gesagt, daß wir nicht viel von dir gesehen haben in letzter Zeit. Du warst schon ewig nicht mehr bei unseren Frühstücksparties.»
«Die Arbeit», erklärte Sandra. «Du weißt doch, ich bin jetzt drei Tage in der Woche bei Dr. Maxwell.»
«Ja, ich weiß, der Dentist», sagte Selena, wobei sie es schaffte, dem Wort genau den richtigen Unterton zu geben, um klarzumachen, daß Dentisten zwar nicht überflüssig waren, aber selbstverständlich kein geeigneter Umgang für bessere Kreise.
«Richtig.»
«Und was hast du sonst gemacht seit unserem letzten kleinen Plausch?»
Sandra konnte sich nicht erinnern, wann dieser Plausch stattgefunden haben mochte, weshalb sie sich vorsichtshalber entschloß, eine gedrängte Übersicht des letzten Monats abzugeben. Selena hörte ihr höflich zu, bevor sie anbot, einen Tee zu machen.
«Hast du auch von dieser Sache mit dem Spanner gehört?» rief sie aus der Küche.
«Ja», bestätigte Sandra, ebenfalls rufend.
«Natürlich, ich vergesse immer, daß dein Mann ja bei der Polizei ist. Dann bist du bestimmt bestens im Bilde, was?» fragte Selena, während sie ein Tablett mit Tee und allerhand kalorienträchtigen Keksen und Süßigkeiten auf den Tisch stellte.
Natürlich war er bei der Polizei, dachte Sandra, und Selena wußte das ganz genau. Schließlich hatte sie Sandra bei ihrer ersten Begegnung genau aus diesem Grund angesprochen - und ihre Art, den neuesten Klatsch aufzuspüren, war ähnlich subtil wie die flammenden Durchhalteparolen von Margaret Thatcher.
«Nicht so ganz», log Sandra. «Außerdem gibt es da auch nicht viel zu wissen.»
«Diese Dorothy Wycombe soll Alan ja ordentlich die Hölle heiß gemacht haben, stimmt's?» bemerkte Selena mit einiger Schadenfreude.
«Das kann man wohl sagen», gab Sandra zähneknirschend zu.
«Ist es denn wahr?»
«Was soll wahr sein?»
«Na, daß die Polizei nicht viel daran tut. Also, ich bin wirklich keine von diesen Emanzen, das weißt du, Sandra, aber ich muß auch sagen, daß wir Frauen manchmal schon ein bißchen unfair behandelt werden. Es ist eben eine Männerwelt, verstehst du?»
«Ja, aber die Männer tun tatsächlich eine ganze Menge bei dem Fall. Sie haben sogar einen Psychologen von der Universität eingeschaltet.»
«Oh?» Selena zog fragend die Augenbrauen hoch. «Und was soll der dabei tun?»
«Nicht der, sondern die. Sie soll der Polizei helfen festzustellen, welche Art Mensch das ist.»
«Aber das wissen sie doch längst - ein Mensch, der den Frauen gern beim Ausziehen zuguckt.»
«Ja, schon», sagte Sandra, «aber da steckt ja noch etwas mehr hinter. Warum hat jemand diese Neigung? Was tut er, während er den Frauen zusieht? Warum führt er kein normales Sexualleben? Das sind die Fragen, mit denen sich die Psychologen befassen.»
«Na schön, aber das bringt doch wohl nicht viel, oder?» wandte Selena ein. «Jedenfalls nicht, solange man ihn nicht erwischt.»
«Genau darüber wollte ich mit dir reden», tastete sich Sandra an ihr Thema heran. «Man macht sich Sorgen, daß er einen Schritt weitergehen könnte. Das Zugucken ist vielleicht nur der Anfang, und deshalb müssen die Ermittlungen intensiver werden. Aufgrund der bisherigen Informationen weiß man bereits, daß er das Terrain sondiert, bevor er zuschlägt. Er weiß über den Grundriß des Hauses Bescheid, stellt fest, wenn die Leute schlafen gehen, ob die Frau zuerst nach oben geht und solche Sachen. Also bin ich auf die Idee gekommen, daß es gut wäre, wenn wir alle die Augen offenhalten und uns umsehen, ob sich irgendwelche Fremde in der Gegend herumtreiben oder ob sich jemand sonstwie seltsam benimmt. Auf diese Weise könnten wir ihn vielleicht erwischen, bevor er womöglich Schlimmeres anstellt.»
«Großer Gott!» stieß Selena hervor. «Du denkst doch nicht etwa, daß er hier irgendwo lauert, oder?»
«Man kann nicht vorhersehen, wo er hingeht», meinte Sandra achselzuckend. «Bisher hat man noch kein bestimmtes Schema bei seinen Aktionen entdecken können.»
Selenas Hand zeigte ein leichtes Zittern, als sie den Tee nachschenkte, und sie biß sich mit den Zähnen auf die Unterlippe. «Ich glaube, da war was», begann sie. «Letzte Woche - am Mittwoch, meine ich. Im ersten Moment
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