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Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche

Titel: Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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zerfallene Mauer von Tavistocks Weide erkennen zu können, die Steine, die man benutzt hatte, um Harrys toten Körper zu bedecken, und die ihr dunkler erschienen als der Rest des Walls.
      Ihr Blick ging zurück zu dem Weg, den sie gekommen war, zu den beiden jungen Menschen, die sich auf dieser Wiese umschlungen hielten, verschmolzen und eins geworden in der Liebe. Sie lächelte traurig, als sie daran dachte, wie verschreckt und verlegen die beiden ausgesehen hatten, als sie plötzlich aufgetaucht war.
      Und wieder mußte sie an Harry denken, an das Picknick, das sie gehabt hatten, vor zehn Jahren. Genau an der Stelle, wo jetzt dieses andere Paar lag. Sie erinnerte sich noch deutlich an den Blick auf das Dorf, an den kleinen Wald und an Emma, die dort im Schatten gesessen und gestrickt hatte. Immer plastischer wurde das Bild, immer mehr Einzelheiten schälten sich heraus. Zu dieser Zeit hatte sich schon die Trennung angebahnt zwischen ihr und Michael. Er hatte dagesessen und die Gedichte von Shelley gelesen, sie erinnerte sich noch an das abgewetzte braune Leder des Bucheinbands, einer alten Ausgabe, die sie in einem Antiquariat gefunden und ihm zum Geburtstag geschenkt hatte. Harry hatte ihr geholfen, das rotkarierte Tischtuch auf der Wiese auszubreiten und das Picknick aus dem Korb zu holen. Dabei hatten sich ihre Hände berührt, ganz zufällig. Sie erinnerte sich, wie sie plötzlich rot geworden war und wie Harry angelegentlich nach dem Korkenzieher gesucht hatte. Für den Chablis. Ja, sie hatten tatsächlich Chablis getrunken an jenem Tag, einen wirklich edlen Tropfen, und noch heute, zehn Jahre später, meinte sie, den trockenen, erdigen Geschmack des kühlen Weins auf ihrer Zunge zu spüren.
      Das Bild verblaßte so rasch, wie es gekommen war. Wie harmlos das alles noch gewesen war, wie verdammt unschuldig! Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen, sprang von dem Pfosten herunter und ging schnellen Schrittes weiter.
     
    * IV
     
    Als Banks von seiner Fahrt nach York zurückkam, wartete Hackett bereits seit einer Stunde und wirkte nicht besonders erfreut.
      «Na, hören Sie mal», protestierte er, als ihn Banks am Ärmel faßte und über die Treppe nach oben zog in sein Büro, «was erlauben Sie sich? Sie können mich doch nicht einfach hier reinschleppen, ohne jede Erklärung! Ich hab schließlich noch was anderes zu tun. Außerdem hab ich Ihnen gestern abend schon alles erzählt.»
      «Gar nichts haben Sie», meinte Banks, nahm seinen Mantel ab und hängte ihn an den Haken hinter der Tür. «Setzen Sie sich», forderte er Hackett auf. «Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.»
      Es war stickig im Raum, und Banks öffnete das Fenster, um frische Luft und die Düfte der Market Street einzulassen: Auspuffgase, den Geruch von frischgebackenem Brot und die süßen und klebrigen Dämpfe aus dem Süßwarengeschäft. Hackett ließ sich angespannt auf einem Stuhl nieder und verfiel in ein beleidigtes Schweigen.
      «Kein Grund, sich aufzuregen», meinte Banks, holte seine Pfeife hervor und klopfte sie über dem Papierkorb aus.
      «Warum hat mich Ihr Sergeant dann regelrecht gekidnappt und hierhergeschleppt? Ich verlange meinen Anwalt zu sprechen.»
      «Lieber Himmel, Mr. Hackett, beruhigen Sie sich! Es gibt wirklich keinen Grund, so melodramatisch zu werden. Sie haben wohl zu viele amerikanische Fernsehserien gesehen. Ich habe Sie doch nicht hierherbringen lassen, um Sie unter Anklage zu stellen oder ähnliches. Tut mir leid, wenn Sergeant Hatchley vielleicht ein bißchen ruppig geworden sein sollte - das ist eben so seine Art. Ich wollte Ihnen einfach nur ein paar Fragen stellen, das ist alles.» Er warf Hackett einen durchdringenden Blick zu. «Da sind noch ein oder zwei Kleinigkeiten, die wir gerne geklärt hätten.»
      «Und warum versteifen Sie sich auf mich? Warum fragen Sie nicht Jack oder den Doc?»
      «Fällt Ihnen denn irgendein Grund ein, warum einer der beiden Mr. Steadman getötet haben könnte?»
      «Nein, natürlich nicht, so hab ich das nicht gemeint. Es ist nur...»
      «Hat er Ihnen gegenüber vielleicht mal eine Bemerkung gemacht, aus der Sie hätten schließen können, daß ihn der eine oder andere aus dem Weg räumen möchte?»
      «Nein, nichts dergleichen. Ich habe keineswegs die Absicht, irgendwen zu beschuldigen. Ich will lediglich wissen, warum Sie sich ausgerechnet mich ausgesucht und in dieser Form hier vorgeführt

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