Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
wieder aufzuheben, nachdem er es bereits fallen gelassen hatte? Denn er musste es zu einem bestimmten Zeitpunkt fallen gelassen haben, weil mehrere Leute gesehen hatten, dass es von der Menge hin und her getreten wurde. Hätte er das Messer einfach dort liegen lassen, wäre es sehr unwahrscheinlich gewesen, die Spur bis zur Farm zurückverfolgen zu können.
Wenn Boyd jedoch nicht der Mörder gewesen war, warum hatte er dann ein Messer aufgehoben, das nicht ihm gehörte? Um jemanden zu schützen? Und wen würde er mit größerer Wahrscheinlichkeit schützen als die Bewohner von Maggie's Farm? Oder war dort noch jemand anderes gewesen, den er kannte und der ihm etwas bedeutete, der Zugriff auf das Messer hatte? Immer mehr Fragen wollten jetzt beantwortet werden, dachte Banks, und Burgess war sehr voreilig gewesen, schon heute Abend seinen Sieg zu feiern.
Dann war da noch die Sache mit der Nummer auf der aus Seths Notizbuch gerissenen Seite. Banks wusste nicht, welche Bedeutung sie hatte, aber aus irgendeinem Grund kam sie ihm bekannt vor, verdammt bekannt. Boyd stand Seth nahe und verbrachte eine Menge Zeit bei ihm in der Werkstatt. Könnte die Nummer etwas mit ihm zu tun haben? Könnte ihnen die Nummer einen Hinweis darauf geben, wohin er verschwunden war?
Natürlich könnte es sich um eine Telefonnummer handeln. In der Gegend von Swainsdale gab es noch viele vierstellige Telefonnummern. Aus einem Impuls heraus stieg Banks aus dem Bett und ging nach unten. Es war bereits nach elf Uhr, aber er beschloss, es trotzdem zu versuchen. Er wählte 1139 und hörte am anderen Ende das Telefon klingeln. Lange ging niemand heran. Er wollte schon aufgeben, als sich eine Frau meldete. »Hallo. Rossghyll Gästehaus, Bed and Breakfast.« Die Stimme klang höflich, aber angespannt.
Banks stellte sich vor, und als klar wurde, dass er kein potenzieller Gast war, verblasste die Höflichkeit der Frau ein wenig. »Wissen Sie, wie spät es ist?«, sagte sie. »Konnte das nicht bis morgen warten? Wissen Sie, wann ich morgen wieder raus muss?«
»Es ist wichtig.« Banks gab ihr eine Beschreibung von Paul Boyd und fragte, ob sie ihn gesehen hatte.
»An solche Leute vermiete ich nicht«, meinte die Frau ärgerlich. »Für wen halten Sie uns? Dies ist ein anständiges Haus.« Und mit diesen Worten legte sie auf.
Banks trottete zurück ins Bett. Er würde natürlich jemanden hinschicken müssen, nur um sicherzugehen, aber es war höchst unwahrscheinlich, dass etwas dabei herauskommen würde. Und wenn es sich um eine Telefonummer außerhalb der Region handelte, dann könnte es fast überall sein. Ohne die dazugehörige Vorwahl konnte man nichts mit ihr anfangen.
Banks lag noch eine Weile länger wach, bis er schließlich in den Schlaf driftete und von einem Burgess träumte, der sich reumütig geschlagen geben musste.
* NEUN
* I
Der bewölkte Himmel schien Banks' hämmernde Kopfschmerzen noch zu verstärken, als er sich am nächsten Vormittag um halb zwölf auf den Weg zu Maggie's Farm machte. Burgess hatte eine Weile vorher angerufen, um zu sagen, dass er im Hotelzimmer etwas Schreibarbeit erledigen und nicht gestört werden wollte, es sei denn, Boyd tauchte auf. Das passte Banks gut, er wollte mit Mara Delacey sprechen, und je weniger Dirty Dick davon wusste, desto besser.
Er stellte den Wagen vor dem Bauernhaus ab und klopfte. Es überraschte ihn nicht, als Mara die Tür öffnete und »Nicht schon wieder!« stöhnte.
Widerwillig ließ sie ihn herein. Sonst war niemand in der Wohnung. Wahrscheinlich arbeiteten die anderen.
Banks wollte Mara aus dem Haus kriegen, auf neutralen Boden. Er hoffte, dass sie dann vielleicht etwas gesprächiger wurde.
»Ich möchte nur gerne mit Ihnen reden, mehr nicht«, sagte er. »Das ist kein Verhör, nichts Offizielles.«
Sie sah verblüfft aus. »Bitte.«
Banks tippte auf seine Uhr. »Es ist fast Mittagszeit und ich habe noch nichts gegessen«, sagte er locker. »Hätten Sie Lust auf einen Abstecher runter ins Black Sheep?«
»Wozu? Ist das ein raffinierter Versuch, mich aufs Revier zu kriegen?«
»Keine Tricks. Ehrenwort. Was ich zu sagen habe, könnte auch für Sie von Nutzen sein.«
Sie betrachtete ihn immer noch misstrauisch, aber der Köder war zu verlockend, um abzulehnen. »In Ordnung.« Sie nahm einen Anorak und zog ihn über Pullover und Jeans. »Ich gehe heute Nachmittag sowieso in den Laden.« Sie
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