Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
später noch einmal genauer durchzusehen.
Auch über Rick Trelawney gab es nichts Neues, nur den Namen und die Adresse der Schwester seiner Frau in London. Ein Anruf könnte sich lohnen, um weitere Einzelheiten über die Scheidung zu erhalten.
Zoe Hardacre war ein Mädchen aus der Gegend. Zumindest beinahe. Wie Jenny gesagt hatte, stammte sie aus Whitby an der Ostküste, nicht weit von Gills Heimatstadt Scarborough. Nach der Schule hatte sie sich als Sekretärin versucht, war aber nicht dabei geblieben. Die Arbeitgeber hatten beklagt, dass sie sich nicht auf die ihr angetragenen wichtigen Aufgaben konzentrieren konnte und dass sie immer in einer anderen Welt zu sein schien. Diese andere Welt war das Okkulte: Astrologie, Handlesen und Tarotkarten. Sie hatte sich mit diesen Themen gründlich genug auseinander gesetzt, um von denen, die sich mit solchen Dingen auskannten, als eine Art Expertin angesehen zu werden. Jetzt, wo das Okkulte unter den New-Age-Yuppies anscheinend in Mode gekommen war, konnte man sagen, dass sie davon lebte, detaillierte Geburtstabellen anzulegen und Tarotsitzungen zu geben. Jeder schien darin übereinzustimmen, dass Zoe harmlos war, ein wahres Blumenkind, obwohl zu jung, um die Blütezeit der Hippies miterlebt zu haben. Sie schien auch so politisch wie eine Blume zu sein: Sie unterstützte die Menschenrechte und war gegen Atomwaffen, aber weiter ging es auch nicht.
Soweit für Banks ersichtlich, hatte sie niemals Kontakt mit Constable Gill gehabt. Banks stellte sich vor, wie er mit gezücktem Schlagstock ihren Stand in Whitby stürmte, um sie wegen Scharlatanerie zu verhaften; oder vielleicht hatte sie ihm aus der Hand gelesen und gesagt, er wäre latent homosexuell. Die Absurdität von Banks' Theorien diente nur als Maßstab seiner Frustration wegen eines fehlenden Motivs. Irgendwo gab es eine Verbindung zwischen einem der Verdächtigen und Gills Ermordung, aber Banks hatte noch nicht genug Informationen, um sie zu erkennen. Er kam sich vor, als würde er versuchen, ein Bild, bei dem erst tausend kleine Punkte miteinander verbunden werden mussten, mit zu wenig Punkten auszumalen.
Obwohl Banks ziemlich sicher war, dass Mara Delacey zu der Zeit, als Constable Gill erstochen wurde, auf der Farm war und auf die Kinder aufgepasst hatte, blätterte er ihre Akte durch. Sie hatte als gescheites Mädchen begonnen, war eine viel versprechende Studentin und hatte einen guten Abschluss in Englisch erzielt. Als jedoch LSD, Acidrock, Bandanas und grelle Kaftane der letzte Schrei waren, hatte sie sich den Hippies angeschlossen. Die Polizei wusste, dass sie Drogen nahm, verdächtigte sie aber nie, damit zu handeln. Außer bei ein oder zwei Razzien in Wohnungen, in denen sie gerade lebte, war sie nie mit Drogen aufgegriffen worden.
Wie Zoe hatte Mara gelegentlich als Sekretärin gearbeitet, meistens als Aushilfskraft. Ihre Universitätsausbildung hatte sie nie praktisch genutzt. In den späten siebziger Jahren hatte sie einige Zeit in den USA verbracht, hauptsächlich in Kalifornien. Zurück in England hatte sie sich eine Weile treiben lassen, bekam dann Kontakt zu einem Guru und lebte schließlich für ein paar Jahre in einem seiner Ashrams in Muswell Hill. Danach zog sie auf die Farm. Nichts verband Mara mit Constable Gill, es sei denn, sie waren sich während der zwei Jahre, die sie in Swainsdale lebte, zufällig über den Weg gelaufen.
Um seine Augen auszuruhen, ging Banks zum Fenster und zündete sich eine Zigarette an. Draußen blieben zwei ältere Touristen, Reiseführer in den Händen, staunend vor dem normannischen Kirchturm stehen und gingen dann in die Kirche.
Nichts von dem, was Banks gelesen hatte, schien ihn weiterzubringen. Wenn Gill in irgendeiner Beziehung zu jemandem von der Farm gestanden hatte, dann war es gut verborgen und Banks musste tief danach graben. Seufzend setzte er sich wieder hin und schlug den nächsten Ordner auf.
Tim Fenton war in Ripon geboren worden und studierte mittlerweile im zweiten Jahr am Eastvale College. Gemeinsam mit Abha Sutton leitete er die dortige Studentenvertretung. Es war eine kleine Vertretung, die sich normalerweise mit collegeinternen Themen beschäftigte, doch waren die Studenten verärgert über die Gesundheits- und Bildungspolitik der Regierung - besonders, wenn Stipendien in Gefahr waren - und nutzten jede Gelegenheit, um ihr Missfallen zu demonstrieren. Tim, Sohn eines Buchhalters, war erst neunzehn Jahre alt
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