Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
King Street war er jedoch bis auf ein einzelnes Paar Fußabdrücke und den Stellen, die Ladenbesitzer auf dem Bürgersteig vor ihren Türen frei geschaufelt hatten, beinahe unberührt geblieben.
Dies war das touristische Eastvale. Hier hingen die Schilder der Antiquitätenhändler, warben Antiquare neben Münzsammlern und Maßschneidern für ihre Waren. Diese Läden unterschieden sich grundlegend von den billigen Souvenirläden an der York Road; es waren Fachgeschäfte mit knarrenden Dielenböden und dicken Butzenscheiben, in denen kultivierte, liebenswürdige Verkäufer ihre Kunden mit »Sir« oder »Madam« ansprachen.
Oakwood Mews war eine kurze Sackgasse, eine renovierte Wohnstraße mit nur zehn Häusern auf jeder Seite. Gusseiserne Zäune trennten die kleinen Gärten vom Bürgersteig. Im Sommer erblühte die Straße in einer überschwänglichen Farbenpracht, an vielen Häusern hingen bunte Körbe und Blumenkästen vor den Fenstern. Vor einigen Jahren hatte die Straße sogar den Preis für die »schönste Straße in Yorkshire« gewonnen, und die Tafel, die darauf hinwies, war an der Mauer des ersten Hauses angebracht. Banks und Richmond näherten sich jetzt der Nummer neun; die Straße wirkte sehr viktorianisch. Banks hätte sich nicht gewundert, wenn plötzlich Tiny Tim auf sie zugelaufen wäre und seine Krücken weggeworfen hätte.
Banks klopfte an die Tür der Coopers. Sie war aus hellem, vertäfeltem Holz gefertigt, der Klopfer war ein auf Hochglanz polierter Löwenkopf aus Messing. Eine wohlhabende, kleine Straße, dachte Banks, auch wenn es sich nur um eine Reihe kleiner Häuser handelte. Sie waren vor dem Krieg aus Backstein errichtet und erst vor kurzem mustergültig restauriert worden.
Christine Cooper öffnete die Tür im Morgenrock und bat sie herein. Im Gegensatz zur behaglicheren, femininen Eleganz von Nummer elf war die Einrichtung der Wohnung der Coopers fast ausschließlich modern und bestand aus skandinavischen Möbeln und gebrochen weißen Wänden. Die Küche, in die sie die beiden führte, quoll über vor Regalen und Arbeitsflächen und enthielt jedes erdenkliche Haushaltsgerät, vom Mikrowellenherd bis hin zum elektrischen Dosenöffner.
»Kaffee?«
Banks und Richmond nickten und setzten sich an den großen Kieferntisch. Um Platz zu sparen, war er dicht in eine Ecke gestellt worden, an den beiden angrenzenden Wänden hatte jemand eine Eckbank aufgestellt. Banks und Richmond setzten sich mit dem Rücken zur Wand auf die Bank. Da seine Körpermaße die obligatorische Mustergröße von 172 Zentimetern nur wenig überschritten, hatte Banks keine Probleme, sich in die Einrichtung einzupassen; Richmond hingegen musste sich ziemlich verbiegen, um seine langen Beine unterzubringen.
Mrs Cooper nahm ihnen gegenüber Platz. Die Kaffeemaschine gluckerte bereits vor sich hin, sodass sie nur noch wenige Minuten auf ihr Getränk warten mussten.
»Veronica ist leider noch nicht aufgestanden«, sagte Mrs Cooper. »Der Arzt hat ihr eine Schlaftablette gegeben, und kaum hatten wir sie ins Bett gebracht, war sie auch schon weg. Ich habe Charles alles erklärt. Er ist sehr verständnisvoll gewesen.«
»Wo ist Ihr Mann jetzt?«, fragte Banks.
»Bei der Arbeit.«
»Wann kam er letzte Nacht nach Hause?«
»Das muss nach elf gewesen sein. Wir saßen noch eine Weile zusammen und sprachen über ... Sie wissen schon ... Dann sind wir so um Mitternacht zu Bett gegangen.«
»Arbeitet er immer so lange?«
Mrs Cooper seufzte. »Ja, besonders in dieser Jahreszeit. Er leitet eine Kette von Spielzeugläden in North Yorkshire, müssen Sie wissen. Ständig tauchen irgendwelche Probleme auf. Einem Laden geht plötzlich eine neue Puppe aus, die die Kinder dieses Jahr unbedingt haben wollen, dem nächsten wiederum ein Puzzlespiel. Sie können sich das sicherlich vorstellen.«
»Wo war er gestern Abend?«
Die Frage schien Mrs Cooper zu überraschen, doch sie antwortete nach kurzem Zögern. »In Barnard Castle. Offenbar hat der dortige Geschäftsführer von ein paar Unstimmigkeiten in seinem Lagerbestand berichtet.«
Wahrscheinlich war an der Sache nichts dran, dachte Banks, aber Charles Coopers Alibi dürfte problemlos zu überprüfen sein.
»Vielleicht können Sie uns etwas mehr über Caroline Hartley erzählen, während wir auf Mrs Shildon warten«, sagte er.
Richmond zückte sein Notizbuch und rutschte in seinem Ecksitz zurück.
Mrs
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