Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
wusste, dass ich später noch genug Zeit haben würde, sie einzupacken. Während ich oben war, machte ich mich frisch und zog andere Sachen an, dann ging ich wieder hinunter.
Die Musik lief immer noch. Ich öffnete die Tür zum Wohnzimmer und ... ich ... zuerst dachte ich, sie würde den neuen scharlachroten Unterrock tragen. Sie sah so ruhig und so schön aus, wie sie dalag. Aber es war gar nicht möglich. Ich habe Ihnen ja schon gestern Nacht erzählt, dass ich ihn ihr noch gar nicht gegeben hatte. Ich hatte ihn gerade erst erstanden und mit den anderen Geschenken auf den Boden des Kleiderschranks verstaut. Dann bin ich näher herangegangen und ... der Geruch ... ihre Augen ...« Veronica setzte ihren Becher ab und legte ihren Kopf in die Hände.
Banks ließ ein, zwei Minuten verstreichen. Man hörte nur das leise Ticken von Mrs Coopers Küchenwanduhr und einen bellenden Hund in der Ferne.
»Soviel ich weiß, waren Sie verheiratet«, sagte Banks, nachdem Veronica ihre Augen getrocknet und den Kaffeebecher wieder in die Hand genommen hatte.
»Offiziell bin ich das immer noch. Wir sind nur getrennt, nicht geschieden. Er wollte nicht, dass unser Privatleben in allen Zeitungen ausgebreitet würde. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, lebten Caroline und ich zusammen.«
Banks nickte. »Weshalb hätten sich die Zeitungen dafür interessieren sollen? Ständig werden Menschen aus allen möglichen Gründen geschieden.«
Veronica zögerte und drehte langsam ihren Becher. Sie wollte ihm nicht in die Augen sehen.
»Hören Sie«, sagte Banks, »ich muss Sie wohl kaum daran erinnern, was passiert ist und wie ernst die Sache ist. Wir werden es ohnehin herausfinden. Aber Sie können uns eine Menge Zeit und Ärger ersparen.«
Veronica sah auf. »Sie haben natürlich Recht«, räumte sie ein. »Obwohl ich nicht verstehe, was die beiden Dinge miteinander zu tun haben sollen. Mein Mann war - ist - Claude Ivers. Er ist nicht unbedingt eine Berühmtheit, aber dennoch haben eine ganze Menge Leute von ihm gehört.«
Banks war einer von ihnen. Ivers war einmal ein brillanter Konzertpianist gewesen, trat seit einigen Jahren jedoch nicht mehr auf, weil er sich ganz dem Komponieren widmen wollte. Von der BBC hatte er einige bedeutende Aufträge erhalten und eine Reihe seiner Werke waren aufgezeichnet worden. Banks besaß sogar eine Kassette mit seinen zwei Blasquintetten. Sie waren von einer unheimlichen, natürlichen Schönheit, nicht strukturiert, sondern schweifend, wie ein Windhauch in einem tiefen Wald in der Nacht. Veronica Shildon hatte Recht. Wenn die Presse Wind von der Geschichte bekommen hätte, dann hätte sie wahrscheinlich wochenlang keine Ruhe mehr gehabt. Reporter von News ofthe World wären die Regenrinnen hochgeklettert, um einen Blick in ihr Schlafzimmer zu erhaschen, und hätten boshafte Nachbarn und gekränkte Liebhaber ausgefragt. Er konnte sich die Schlagzeilen nur allzu gut vorstellen: »FRAU EINES NAMHAFTEN MUSIKERS IM LESBISCHEN LIEBESNEST.«
»Wo lebt Ihr Mann jetzt?«, erkundigte sich Banks.
»In Redburn, an der Küste. Er meinte, die Abgeschiedenheit und das Meer würden seiner Arbeit zugute kommen. Er hat immer alles für seine Arbeit getan.«
Banks bemerkte die Bitterkeit in ihrer Stimme. »Sehen Sie sich noch?«
»Ja«, antwortete sie. Ein Lächeln huschte über ihre schmalen Lippen. »In vielerlei Hinsicht war es eine bittere Trennung, aber etwas Zuneigung ist geblieben. Wir sind anscheinend nicht dazu in der Lage, sie auszumerzen, egal was wir tun.«
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
»Etwa vor einem Monat. Wenn er in der Stadt ist, gehen wir hin und wieder zusammen essen. Ich reise selten an die Küste, aber er kommt von Zeit zu Zeit her.«
»Zu Ihnen nach Hause?«
»Er ist schon hier gewesen, ja, obwohl er immer Angst hat, dass ihn jemand sehen und erkennen könnte. Ich versuche ihm immer zu erklären, dass Komponisten heutzutage genauso wenig wie Schriftsteller auf der Straße erkannt werden und dies nur auf Fernseh- oder Filmstars zutrifft, aber ...« Sie zuckte mit den Achseln.
»Kannte er Caroline?«
»Das ließ sich kaum vermeiden, oder? Sie haben sich ein paarmal getroffen.«
»Wie kamen sie miteinander aus?«
Veronica zuckte mit den Achseln. »Sie hatten sich nicht viel zu sagen. Sie waren so verschieden wie Tag und Nacht. Er hielt sie für eine gewiefte Schlampe und sie ihn für ein
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