Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
zündete sich eine neue Zigarette an. »Also, ich erzähle dir, worauf ich hinauswill. Kurz bevor du gekommen bist, habe ich mit meinem alten Freund Barney Merritt von Scotland Yard gesprochen, und er hat mir erzählt, dass das Kriminalamt tatsächlich eine Akte über Chivers führt. Sie konnten ihn nie für irgendetwas einsperren, aber hin und wieder haben sie Berichte über seine mutmaßlichen Aktivitäten erhalten und die hatten für gewöhnlich etwas mit dem organisierten Verbrechen zu tun. Vor vier Jahren hätten sie ihn fast einmal geschnappt. Ein Außenstehender, der bei einer Schutzgelderpressung in Birmingham mitmischen wollte, wurde auf einer Baustelle mit einer Kugel im Kopf gefunden. Die Polizei wusste, dass Chivers mit den Gangs dort oben zu tun hatte, außerdem hatten ihn ein paar Zeugen mit dem Opfer in einem Pub nahe der Baustelle gesehen. Doch sobald es ernst wurde, begannen die Zeugen ihr Gedächtnis zu verlieren.«
»Alan, willst du mir erzählen, dass der Mann ein Killer oder so etwas ist?«
Banks machte eine abwehrende Handbewegung. »Nein, Moment, lass mich ausreden. Die meisten Informationen in den Akten des Kriminalamtes betreffen seine mutmaßliche Verbindung zu den Verbrecherbanden in London und in Birmingham: Auftragsmorde, Zeugen mundtot machen, Schulden eintreiben und solche Sachen. Aber es geht das Gerücht um, dass er nebenbei, wenn das Geschäft schlecht läuft, einem kleinen Mord oder Gemetzel nicht abgeneigt ist, nur so zum Spaß. Und laut Barney haben seine Auftraggeber vor ungefähr einem Jahr begonnen, ihm zu misstrauen. Sie halten sich auf Distanz. Aber bewiesen ist das nicht, das sind alles nur Gerüchte.«
»Interessant«, sagte Jenny. »Gibt es noch mehr?«
»Nur ein paar Einzelheiten. Bei drei Mordfällen im Süden gilt er als Hauptverdächtiger - jeweils ohne den geringsten Beweis. In einem Fall soll das Opfer vor dem Mord noch schwer gefoltert worden sein. Außerdem gibt es Gerüchte über ein oder zwei vierzehnjährige Mädchen, die er im Bett ziemlich rüde behandelt haben soll.«
Jenny schüttelte den Kopf. »Siehst du zwischen diesen Fällen und Gemma eine Art Zusammenhang? Ich halte das für höchst unwahrscheinlich.«
»Aber wieso? Er steht auf harten und abartigen Sex. Er steht auf junge Mädchen. Was passiert, wenn Vierzehnjährige nicht mehr reizvoll genug sind?«
»Die Tatsache, dass er auf Sex mit vierzehn Jahre alten Mädchen steht, lässt psychologisch in keiner Weise darauf schließen, dass er an Siebenjährigen interessiert sein könnte. Eher im Gegenteil.«
Banks runzelte die Stirn. »Verstehe ich nicht.«
»Das ist auch ein Punkt, den ich bei meinen Nachforschungen herausgefunden habe. Je jünger das Kind ist, desto älter ist, laut Statistik, aller Wahrscheinlichkeit nach der Pädophile. Dein Chivers scheint ein Typ zu sein, der genau im richtigen Alter für ein krankhaftes Interesse an Vierzehnjährigen ist. Aber, weißt du, wenn du mir keinerlei Informationen zu Gemmas Entführung gegeben hättest, würde ich sagen, du musst nach jemandem über vierzig suchen, höchstwahrscheinlich nach einem Mann, der Gemma kannte - ein Freund der Familie, ein Nachbar oder sogar ein Verwandter -, der in der Gegend wohnt, auf jeden Fall nicht weit weg, und der wahrscheinlich allein lebt. Ich würde bestimmt nicht nach einem jungen Paar aus Birmingham oder sonst woher suchen.«
Banks schüttelte den Kopf. »Gut, gehen wir wieder zum Ausgangspunkt zurück. Sag mir, was du von folgendem Szenario hältst: Wir wissen, dass eine Menge Psychopathen ein lukratives Auskommen im organisierten Verbrechen gefunden haben. Sie sind bestens geeignet, den Leuten Angst einzujagen, sie sind clever und sie geben hervorragende Mörder ab. Das Problem ist, dass sie schwer zu kontrollieren sind. Was macht man also mit einem Psychopathen, der sich für das Geschäft eher als Belastung denn als Vorteil erweist? Man versucht, ihn vom Geschäft fern zu halten, und hofft inständig, dass er keinen Groll hegt. Oder man lässt ihn töten und der Kreislauf geht weiter. Seine alten Bosse haben Chivers nicht mehr vertraut, Jenny. Er ist eine Persona non grata geworden. Sie haben Angst vor ihm. Für sein Vergnügen muss er nun selbst sorgen.«
»Mmm.« Jenny schwenkte ihr Glas und nahm noch einen Schluck. »Das ergibt schon irgendwie einen Sinn, aber ich bezweifle, dass es genauso ist. Wenn er schwer zu kontrollieren ist, dann bedeutet das zunächst
Weitere Kostenlose Bücher