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Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln

Titel: Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Königin Viktorias sechzigjähriges Kronjubiläum erbaut worden war, ging Banks die Treppe hinunter zum Strand. Die Flut war gerade erst zurückgegangen, der glitzernde Sand unter seinen Füßen war noch feucht wie hart gewordenes Gel. Kaum machte er einen Schritt nach vorne, waren seine Fußspuren schon wieder verschwunden.
      Im Gehen musste er nicht an Thomas Hardy, sondern an John Cowper Powys denken. Jemand hatte ihm in der Weihnachtszeit von Weymouth Sands erzählt und so neugierig gemacht, dass er sich das Buch gekauft hatte. Und während er nun zum ersten Mal seit seiner Kindheit tatsächlich über den Sandstrand von Weymouth stampfte, erinnerte er sich an den Anfang, wo Magnus Muir über die Beziehung zwischen der alles umfassenden Einheit des Meeres und dem eigentümlichen und individuellen Wesen jeder einzelnen Welle nachdachte. Die Lichter der Esplanade spiegelten sich im nassen Sand, der jedes Mal, wenn eine Welle zurückwich, mit einem zischenden Geräusch die verbliebene Feuchtigkeit aufsog.
      Hochtrabende Gedanken für einen einfachen Chief Inspector. Er blieb für einen Augenblick stehen und ließ die Wellen an seine Schuhe plätschern. Weiter im Süden schienen die Lichter des Terminals der Autofähren direkt über dem Wasser zu hängen. Loder hatte Recht, dachte er: Es wäre dumm von Chivers gewesen, den Wagen zu nehmen. Viel leichter war es, sich unter die zu Fuß gehenden Passagiere zu mischen und einen Wagen zu mieten, wenn er ihn brauchte. Oder, was noch anonymer wäre, mit dem Zug zu reisen, wenn er nach Frankreich geflohen war.
      Der Anblick der toten Frau im Hotel hatte Banks mehr erschüttert, als er anfänglich wahrhaben wollte. Während er am Ende des Strandes auf dem geriffelten Sand kehrtmachte, fragte er sich, was wohl der Grund dafür war. Wahrscheinlich lag es an Sandra. Die Ähnlichkeit war natürlich nur äußerlich, aber sie war groß genug, um ihn an die zwanzigjährige Sandra zu erinnern. Obwohl Sandra seine Meinung überhaupt nicht teilen mochte, hatte ihn auch das Foto von Gemma Scupham an Tracy in jüngeren Jahren erinnert, wenn auch an eine weniger traurig aussehende. Während Tracy Sandra nachgeriet, ähnelte Brian in seiner kleinen, hageren, dunkelhaarigen, keltischen Erscheinung Banks. Alles in allem gab es für seine Begriffe in diesem Fall zu viele Ähnlichkeiten.
      Banks dachte daran, dass er vorhin gesagt hatte, er würde langsam ein Gefühl für Chivers' Vorgehensweise bekommen. Und dann dachte er daran, was er Gristhorpe nicht gesagt hatte. Als er in diesem Hotelzimmer gestanden und auf die tote Frau geschaut hatte, hatte Banks genau gewusst - so genau, wie er wusste, was bei dem Mord an Johnson passiert war -, dass Chivers mit ihr geschlafen hatte, sie angelächelt hatte, und dass er, als er zum Höhepunkt kam - diese kurze Pause für einen Seufzer, die Les Poole erwähnt hatte -, das Kissen genommen und auf ihr Gesicht gehalten hatte. Sie hatte sich gewehrt, ihn gekratzt und um sich geschlagen, aber er hatte das Kissen heruntergedrückt und war, während sie starb, in ihr gekommen.
      Begann er tatsächlich Verständnis für Chivers' psychopathische Denkweise zu entwickeln? Eine beängstigende Vorstellung - für einen Moment wollte er am liebsten seine Antennen einfahren und sein Einfühlungsvermögen auslöschen. Aber das konnte er nicht.
      Die blonde Frau - er wünschte, er würde ihren Namen kennen - musste auf irgendeine Weise zur Belastung geworden sein. Vielleicht hatte sie sich die Sache mit Gemma plötzlich anders überlegt; vielleicht war sie von Schuldgefühlen überwältigt worden und hatte gedroht, zur Polizei zu gehen. Vielleicht hatte Chivers ihr andere Gründe für die Entführung des Kindes vorgemacht und sie hatte nun die wahren Gründe herausgefunden. Sie könnte auch in Panik geraten sein, als sie die Phantombilder in den Zeitungen gesehen hatte, und Chivers hatte das Gefühl bekommen, ihr nicht länger vertrauen zu können. Oder aber er hatte einfach nur die Lust an ihr verloren. Aus welchem Grund auch immer, sie war nicht länger nützlich für ihn, und jemand wie Chivers begann sich in einem solchen Fall einen interessanten Weg auszudenken, um sie loszuwerden.
      Er langweilt sich wohl schnell, dachte Banks und erinnerte sich, worüber er und Jenny im Queen's Arms gesprochen hatten. Mit seiner schöpferischen Intelligenz, wenn auch einer eindeutig abartigen, besaß er Fantasie und Wagemut. Für einige Jahre hatte er seine

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