Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
Seltsame Redewendung. Also, Wim stand irgendwie in Verdacht, verstehst du. Man konnte ihm nichts beweisen, aber man vermutete, dass er Bestechungsgelder annahm und im Rotlichtbezirk mit Drogen und Mädchen zu tun hatte. Aber Wim hat viele Jahre im Rotlichtbezirk gearbeitet, schon als Streifenpolizist, und er kennt sich dort besser als jeder andere aus. Und mir ist es egal, was die Leute sagen. Vielleicht stimmt es ja, aber er ist in vielerlei Hinsicht ein guter Mann. Verstehst du mich?«
»Ich glaube schon«, sagte Banks, der sich jetzt erinnerte, dass Piet zwar ein netter Kerl war, aber immer eine Ewigkeit brauchte, um zum Thema zu kommen.
»Wim hat viel gesehen und gehört, ohne es weiterzuverfolgen. In dieser Welt heißt es geben und nehmen. Eine Hand wäscht die andere. Besonders wenn das, was über ihn gesagt wird, stimmt. Deshalb habe ich mit ihm gesprochen und er hat sich an etwas erinnert. Aber du musst wissen, Alan, dass es dafür keine Beweise gibt. Es sind nur Gerüchte. Und Wim wird das, was er mir erzählt hat, niemals offiziell wiederholen.«
»Sag schon, Piet.«
»Den Kontakten von Wim zufolge hat dein Mr Harkness mehrmals den Rotlichtbezirk besucht.«
»Piet, wer besucht den Rotlichtbezirk nicht? Er ist einer eurer wichtigsten Touristenattraktionen.«
»Nein, warte. Das ist nicht alles. Es gibt dort gewisse Läden, sehr üble Läden. Da stehen nicht nur schöne Frauen in den Schaufenstern, verstehst du?«
»Und?«
»Und Wim hat mir erzählt, dass dein Mr Harkness einen dieser Läden besucht hat.«
»Woher weiß dein Informant, dass es sich um ihn gehandelt hat?«
»Alan, du musst bedenken, dass Mr Harkness in Amsterdam sehr bekannt und einflussreich ist. Soll ich weitermachen?«
»Ja, bitte.«
»Es handelte sich um einen sehr üblen Laden«, fuhr Piet fort. »Dir ist bekannt, dass Prostitution hier nicht illegal ist und es viele Bordelle gibt?«
»Ja.«
»Und außerdem Livesex-Shows und Sadomaso und so weiter. Aber dieses eine Bordell, sagt Wim, ist ein ganz besonderer Laden. Ein Laden, der auf Leute spezialisiert ist, die auf kleine Mädchen stehen.«
»Großer Gott!«
»So etwas gibt es, Alan. Was soll ich sagen? Mädchen verschwinden aus Großstädten und tauchen in solchen Läden wieder auf. Manchmal werden sie für Snuffmovies benutzt. Weißt du, was das ist?«
»Ja, weiß ich. Warum wurde er nicht verhaftet?«
»Manchmal ist es besser, die kleinen Fische laufen zu lassen. Außerdem war Harkness ein wichtiger Mann und vielleicht, wie soll ich sagen, hätte man ihn damit unter Druck setzen können. Er hätte sich als nützlich erweisen können.«
Banks seufzte. Er kannte diese Vorgehensweise. Wenn man etwas gegen einen Mann wie Harkness in der Hand hatte, hatte man auch ihn in der Hand: Erpressung nach Art der Polizei.
»Alan, ich vermute, dass es in London nicht anders ist als in Amsterdam. Mit dem nötigen Kleingeld kann man alles kriegen. Alles. Wenn wir diese Läden finden und Beweise haben, dann schließen wir sie und verhaften die Verantwortlichen. Aber diese Leute sind sehr clever. Manchmal werden Polizisten bestochen, wird Schutzgeld gezahlt oder erpresst. Wir haben alle unsere Leichen im Keller. Alan? Bist du noch da?«
»Ja. Ja, Piet, ich weiß. Ich habe gerade nachgedacht. Sag mal, könntest du mir einen großen Gefallen tun? Ich nehme an, Läden wie diesen gibt es immer noch?«
»Es gibt jetzt einen Laden, der uns verdächtig ist. Von außen gesehen scheint es ein ganz normales Bordell zu sein, aber man sagt, dass man dort sehr junge Mädchen bekommen kann, zum entsprechenden Preis. Unsere verdeckten Ermittler beobachten den Laden, aber noch haben wir keine Beweise.«
»Ich möchte dich bitten herauszufinden, ob neue Mädchen eingetroffen sind.« Er gab Piet Gemmas Beschreibung und hoffte gleichzeitig, dass er mit seiner Vermutung falsch lag. Wenn Harkness seine Verbindungen nach Amsterdam aufrechterhalten hatte, könnte es aber immerhin bedeuten, dass Gemma noch am Leben war. Er konnte noch immer nicht alle offenen Fragen beantworten und wusste nicht, wie alles zusammenpasste, aber er ging davon aus, dass es für Harkness oder jemand anderen selbst während der Suchaktion nicht schwierig gewesen wäre, das Mädchen außer Landes zu schmuggeln. Die Fähre von Immingham war zum Beispiel immer überfüllt; während einer nächtlichen Überfahrt, wenn sowieso jeder müde war,
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