Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
gesund. Arme Frau, wir kennen noch nicht mal ihren Namen. Nur eine Überraschung: Sie war in der achten Woche schwanger.«
»Mmm«, meinte Gristhorpe, »ich frage mich, ob Chivers davon wusste.«
Loder zuckte mit den Achseln. »Das ist kaum ein Mordmotiv, oder?«
»Ich glaube nicht, dass er ein besonderes Motiv brauchte. Aber es hätte das Fass zum Überlaufen bringen können.«
»Oder sie ist dadurch zur Belastung geworden«, erwog Banks. »Nicht allein durch die Tatsache, dass sie schwanger war, sondern weil sie dadurch empfindlicher wurde. Vielleicht hat die Entdeckung, selbst ein Kind zu bekommen, bei ihr ein schlechtes Gewissen ausgelöst.«
»Es bringt nichts, darüber zu spekulieren«, entgegnete Gristhorpe. »Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren. Sonst noch was?«
»Der Wagen gibt auch nichts her«, berichtete Loder. »Ein paar Partikel ... Stofffasern und so etwas, aber Sie wissen so gut wie ich, dass heutzutage die meisten Klamotten Massenware sind. Die Fasern könnten von fast jedem blauen Baumwollhemd stammen. Sonst gibt es nicht viel zu sagen. Ein paar Leute von uns fragen herum nach ihm, vielleicht hat ihn ja jemand gesehen, als er das Hotel verlassen hat. Bisher Fehlanzeige. Ach, und ich habe Interpol und die Behörden auf den Kanalinseln informiert.«
»Gut«, sagte Gristhorpe. »Das müsste alles abdecken.«
»Was nun?«, fragte Loder.
»Wir können nur warten, oder?«
»Sieht so aus. Ich fahre besser wieder ins Revier, falls sich etwas Neues ergibt.«
»Danke.« Gristhorpe schüttelte ihm die Hand. »Vielen Dank.«
Sie sahen zu, wie Loder zu seinem Wagen ging. »Er hat es auf den Punkt gebracht«, konstatierte Gristhorpe. »Was nun?«
Banks zuckte mit den Achseln. »Ich kann nur Vermutungen anstellen.«
»Nur zu.«
Banks beobachtete, wie eine Fähre aus dem Hafen fuhr. Eine Schar Möwen stürzte sich auf einen toten Fisch am Strand. »Ich habe über Chivers nachgedacht«, erklärte er, zündete sich eine Zigarette an und schaute aufs Meer hinaus. »Ich habe versucht, seine Denkweise zu verstehen.«
»Und?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber ... Nun, er wird mittlerweile wissen, dass wir hinter ihm her sind. Bestimmt hat er die Zeitungen gelesen. Und was macht er? Er tötet die Frau, weil sie zu viel Ballast ist, und haut ab. Ein normaler Verbrecher würde jetzt bestimmt auf den Kontinent gehen und untertauchen. Aber wir wissen, dass Chivers nicht normal ist.«
»Ich glaube, ich weiß, was du meinst, Alan. Ich hatte schon den gleichen Gedanken. Er spielt ein Spiel, nicht wahr? Er lacht über uns.«
Banks nickte. »Und ihm gefällt die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird. Jenny hat gemeint, er ist wahrscheinlich egozentrisch, aber außerdem impulsiv und verantwortungslos. Ich habe viel darüber nachgedacht.«
»Wo würde er also hingehen, wenn man das berücksichtigt?«
»Dahin, wo es angefangen hat, vermute ich«, sagte Banks. »Ich wette, der Kerl ist wieder in Eastvale.«
* II
Als Gristhorpe und Banks in Eastvale ankamen, war es später Samstagabend. Kurz vor Leicester hatte es auf der M1 einen Stau gegeben, weil sechs Fahrzeuge in einen quer gestellten Sattelschlepper gerast waren, und als sie bei Pontefract und Castleford auf die A1 fuhren, regnete es in Strömen, sodass sie nur langsam vorankamen.
Deshalb war es bereits Sonntagmorgen - die Kirchenglocken läuteten und die Menschen überquerten auf dem Weg zum Gottesdienst im Sonntagsstaat den Marktplatz -, als die Mitglieder der Kriminalpolizei von Eastvale um den großen, runden Tisch saßen, Kaffee tranken und ihre Ergebnisse zusammentrugen.
Richmond und Susan unterrichteten die anderen von John Fairleys Informationen über Chivers und der Tatsache, dass er eine Waffe besaß.
»Fairley scheint von allen am wenigsten in die Sache verwickelt zu sein«, erklärte Richmond. »Wir haben uns ausführlich mit ihm unterhalten, nachdem wir ihn mitgenommen hatten. Er ist nicht vorbestraft. Ich bin mir sicher, dass er auch früher schon mit Geräten gehandelt hat, die von einem Lkw >gefallen< sind, aber mit dem Einbruch in Fletchers Warenhaus hat er zum ersten Mal im großen Stil gehehlt, da sind wir uns sicher. Oder, Susan?«
»Das sehe ich genauso«, stimmte ihm Susan zu und schaute von ihren Notizen vor ihr auf. »Anscheinend war der Einbruch Johnsons Idee, er hat auch Les Poole für die Sache gewonnen. Sie
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