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Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln

Titel: Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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das so, als wären diese Dinge fast legitim.«
      »Ich erzähle dir nur das wenige, das ich weiß.«
      »Entschuldige. Sprich bitte weiter.«
      »Schau, du glaubst vielleicht, ein Mensch ist so geboren, wie er oder sie sich später benimmt, aber das Sexualverhalten ist nicht von Anfang an festgelegt. Es gibt zwar Theorien, wonach fast alles biologisch begründet ist, wofür wiederum Chemikalien oder Gene verantwortlich seien. Andererseits deuten die meisten Untersuchungen darauf hin, dass das Sexualverhalten vor allem eine Sache des Lernens ist. Zu Beginn ist alles diffus, in einer Art Fluss. Polymorph pervers nannte Freud die Sexualität des Säuglings, glaube ich. Welche Vorlieben nach und nach in den Vordergrund treten, hängt von einer Reihe von Faktoren ab.«
      »Von welchen?«
      »Erfahrung. Lernen. Familie. Das sind wahrscheinlich die wichtigsten. Man probiert etwas aus, und wenn es einem gefällt, macht man es immer wieder. Das ist Erfahrung. Manchen Menschen werden keine Informationen über Sex mitgegeben oder aber so irreleitende, dass es sie ungemein verwirrt. Das ist Lernen - oder eben fehlendes Lernen. Selbst das, was wir normale Sexualität nennen, ist bestenfalls eine düstere, trübe Angelegenheit. Schau dir extreme Fälle sexueller Eifersucht an. Wie leicht können Sex und Begierde in Gewalt umschlagen. Wie schnell kann die Kontrolle verloren gehen. Dann gibt es noch die Assoziation von Orgasmus und Tod. Wusstest du, dass man den Orgasmus früher auch den »kleinen Tod< nannte?«
      »So wie du darüber sprichst, bleibt der Spaßfaktor ganz auf der Strecke.«
      »Das ist genau der Punkt«, pflichtete Jenny bei. »Für eine Menge Leute hat Sex nichts mit Spaß zu tun. Das Verlangen ist eine Klette, die sie nicht loswerden können, ein Zirkusdirektor, dessen Anweisungen sie sich nicht zu widersetzen wagen. Sexualität hat noch eine Menge anderer Ausdrucksformen als die, die wir als normal oder gesellschaftlich akzeptabel bezeichnen. Es ist ein erlerntes Verhalten. Vor oder während der Pubertät kann - zumindest theoretisch - jedes Objekt oder jede Situation stimulierend wirken. Erinnerst du dich noch, wie es dich erregte, wenn du dir Bilder von nackten Frauen angeschaut hast? Als Jugendlicher kann man leicht auf Dinge wie Unterwäsche und große Brüste fixiert werden - und zwar eher auf die Bilder davon als auf echten Sex. Erinnerst du dich an unseren Spanner? Das war seine besondere Fixierung, die visuelle Stimulation.
      Es dauert nicht lange, bis die meisten von uns beginnen, bestimmte Stimuli anderen vorzuziehen. Ziemlich schnell wird die sexuelle Erregung und Befriedigung auf einen bestimmten, beschränkten Bereich begrenzt. Das nennen wir dann normal. Der gute, alte, gesellschaftlich gebilligte, heterosexuelle Sex. Das Problem mit den meisten sexuell abnorm veranlagten Menschen aber ist, dass sie zu dem, was wir als normale menschliche Beziehungen ansehen, nicht imstande sind. Viele versuchen es, scheitern aber. Natürlich ist es in Wirklichkeit noch viel komplizierter. Zum Beispiel muss sich dieses Scheitern nach außen hin gar nicht so manifestieren. Möglicherweise entwickeln diese Menschen mit der Zeit ein großes Geschick, etwas vorzutäuschen, um ihre tatsächlichen Bedürfnisse und Handlungen zu verheimlichen.«
      »Über welche Art von Mensch reden wir also? Du hast gesagt, es ist jemand, der zu gewöhnlichen Beziehungen nicht imstande ist.«
      »Um das zu behaupten, müsste ich erst ein wenig nachforschen, aber von einigen Ausnahmen abgesehen ist der typische Abnorme wahrscheinlich ziemlich häufig der unauffällige Kerl von nebenan. Übrigens brauchst du dich nicht so nervös umzuschauen, du kannst gerne rauchen, wenn du willst. Giselle wird dir einen Aschenbecher bringen. Wir sind ja schließlich in einem französischen Restaurant, hier raucht jeder.«
      Banks zündete sich eine Zigarette an und tatsächlich brachte Giselle zusammen mit der Rechnung einen Aschenbecher. »Sprich weiter«, bat er. »Du wolltest mir gerade von dem unauffälligen Kerl von nebenan erzählen.«
      »Es ist einfach nur so, dass die meisten Triebtäter recht geschickt darin werden, nach außen hin ein ganz normales Leben zu führen. Sie lernen, das Spiel mitzuspielen. Sie können eine Arbeitsstelle halten, eine Ehe führen, sogar Kinder großziehen ...«
      »Pädophile?«
      »Ja.«
      »Also, das überrascht mich«, gestand Banks. »Mir sind schon alle möglichen

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