Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
anderem werde ich den besten Strafverteidiger engagieren, den ich finden kann, um dich zu vertreten, aber du musst die Situation akzeptieren. Verstehst du mich?«
Owen war sich nicht sicher, ob er ihn verstand, nickte aber trotzdem.
»Gut«, sagte Wharton.
»Aber was wird heute passieren? Was macht es für einen Sinn, hierher zu kommen, wenn man mich doch nur wieder zurück ins Gefängnis steckt?«
»Um zu klären, ob du in Untersuchungshaft oder auf Kaution freikommst. Aber wie ich schon sagte, auf das Letztere würde ich mich nicht verlassen. Dann wird ein Termin für die Vorverhandlung festgesetzt.«
»Wie lange werde ich darauf warten müssen?«
»Mmmmh. Schwer zu sagen. Üblicherweise gibt es eine Frist von sechsundfünfzig Tagen.« Wharton setzte ein schiefes Lächeln auf. »Leider bist du nicht der einzige angebliche Kriminelle. Wir haben Rückstände aufzuholen.«
Owens Brustkorb zog sich zusammen. »Willst du damit sagen, ich muss möglicherweise bis Februar im Gefängnis bleiben, ehe ich überhaupt eine Vorverhandlung bekomme?«
»Mindestens. Allerdings nicht im Revier in Eastvale. Wahrscheinlich in irgendeinem Gefängnis wie Armley. Aber keine Sorge, die wissen dort ganz genau, dass sie dich von den anderen Gefangenen fern halten müssen. Man weiß ja, wie moralisch Kriminelle werden, wenn es um Sexualverbrechen geht. Du wirst in Einzelhaft kommen. Aber zerbrich dir darüber jetzt nicht den Kopf. Nimm die Dinge, wie sie kommen, Owen. Ein Tag nach dem anderen, Schritt für Schritt. Das ist mein Rat. Ich werde für dich arbeiten, keine Angst.«
Warum beruhigte ihn dieser Gedanke nicht so, wie er es tun sollte, fragte sich Owen.
Ein Gerichtsdiener schaute durch die Tür. »Bitte, Gentlemen.«
Wharton lächelte und nahm seine schwarze Lederaktentasche. »Dann mal los, Owen«, sagte er. »Auf in den Kampf.«
* III
Kurz nach Michelles Bemerkung, dass Owen Pierce versucht habe, sie umzubringen, wurde das Essen serviert, und sie schwiegen, bis der Kellner ihnen die heißen Teller gereicht und den Brotkorb aufgefüllt hatte. Mittlerweile war es nach ein Uhr. Banks wusste, dass Michelle zu spät zur Arbeit zurückkommen würde, aber es schien sie nicht zu stören. Sie wollte ihnen unbedingt das Schlimmste über Owen Pierce erzählen.
Banks wartete, bis alle ihr Essen probiert und kommentiert hatten, ehe er fortfuhr: »Sie sagten vorhin, dass Owen am Anfang ein lustiger Mensch war und sich dann geändert hat. Inwiefern hat er sich verändert? Hatte das etwas damit zu tun, was passiert ist? Ist er gewalttätig geworden?«
»Nein. Also nicht wirklich gewalttätig. Auf jeden Fall nicht vor dem Ende.«
»Vor dem Ende?«
»Der Tag, an dem ich ihn verlassen habe. Oder eher die Nacht davor.«
»Wenn er davor nicht gewalttätig gewesen ist, was hat denn dann nicht gestimmt? Wie hat er sich verändert?«
»Er ist einfach unmöglich geworden. Schlecht gelaunt. Irrational. Eifersüchtig.« Sie hielt inne und aß einen Happen Linguine und trank danach einen Schluck Weißwein.
»War er jähzornig?«
Michelle nickte. Ihre Engelsohrringe tanzten. »Er wurde es zunehmend. Zum Ende wurde es schlimmer. Er wurde immer besitzergreifender und eifersüchtiger. Wegen nichts ist er ausgerastet.«
»Haben Sie ihn deshalb verlassen? Aus Angst vor Gewalttätigkeiten?«, schaltete sich Susan ein. »Hatten Sie Angst, dass er Ihnen etwas antut?«
Michelle schaute Susan an. »Nein«, sagte sie. »Eigentlich nicht. Er hat mir natürlich Angst gemacht, besonders in der letzten Nacht, aber ... wie soll ich es erklären?«
»Wir hören zu.« Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete Susan, wie Banks an seiner Pizza knabberte. »Was ist passiert? Wollen Sie es uns erzählen?«
Michelle trank noch einen Schluck Wein, blickte sie dann an und nickte. Während sie sprach, schaute sie zwischen den beiden hin und her. »Na gut. Ich war lange mit einer Freundin aus gewesen. Owen hatte auf mich gewartet. Und er hatte getrunken.«
»Hat er für gewöhnlich viel getrunken?«, fragte Banks.
Michelle spießte ein paar Linguine auf und drehte sie um ihre Gabel. »Nein, normalerweise nicht, aber in der letzten Zeit war es mehr geworden. Besonders wenn er depressiv war, was er eigentlich ständig war. Auf jeden Fall konnte ich an dem Abend seine Whiskyfahne riechen.«
Banks nippte an seinem Rotwein. Er schmeckte wässerig. »Hatten
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