Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
ereignete sich um halb elf an einem Samstagabend, und wir wissen, dass Jason an den Wochenenden nach Eastvale kam. Aber damals wussten wir es nicht. Ich meine, wir hatten keinen Grund, ihn zu verdächtigen. Und George Mahmood hätte nicht wissen können, dass er es war.«
»Nicht? Vielleicht hatte er einen Verdacht. Vielleicht hat er ihn sogar gesehen. Aber Sie haben Recht, wir sollten zum jetzigen Zeitpunkt zu viele Spekulationen vermeiden. Vielleicht sprechen Sie noch einmal mit Jasons Familie, Susan. Mal sehen, ob sie nun etwas entgegenkommender sind. Danach gehen Sie noch einmal zu den Mahmoods, dann zu den Nazurs ins Himalaya. Vielleicht können sie Ihnen noch mehr über die Geschehnisse des Samstagabends erzählen.« Er schaute auf seine Uhr und lächelte dann Susan an. »Teilen Sie es sich richtig ein, Mädel, dann sind sie vielleicht genau zur Mittagszeit im Himalaya.«
Hatchley lachte und Susan errötete.
»Das wäre dann erst einmal alles.« Gristhorpe rieb sich sein Stoppelkinn. »Aber was auch immer wir tun«, sagte er, »wir müssen behutsam vorgehen. Wie auf Eiern. Denken Sie daran. Chief Constable Riddle hat ein persönliches Interesse an diesem Fall.« Er räusperte sich. »Übrigens lässt er sich entschuldigen, dass er heute Morgen nicht hier sein konnte.«
Banks hörte, wie Hatchley Susan zuflüsterte: »Frühstücksfernsehen.«
Gristhorpe ignorierte es. »Was wir in diesem Moment alle im Kopf behalten sollten«, sagte er, »ist, dass dieser Fall zwar anfänglich einfach aussah, die Dinge sich aber verändert haben. Er ist wesentlich komplizierter geworden. Und egal, welche abstoßenden Züge Jason Fox' Charakter auch anzunehmen beginnt, denken Sie daran, er hatte keine Chance, sich zu wehren. Allerwenigstens haben wir es mit vorsätzlichem Totschlag zu tun, eher aber sogar mit Mord. Und vergessen Sie nicht, dass wir hier auch alle Komponenten eines ernsthaften Rassenkonfliktes haben: weißes Opfer, schnell aufgegriffene asiatische Verdächtige, die zum Verhör verhaftet worden sind. Wenn man die Tatsachen hinzunimmt, dass Jason Fox ein Rassist war, George Mahmood gerade seine moslemischen Wurzeln erforscht und Asim Nazurs Vater eine Stütze der Gesellschaft ist, dann ergibt das ein Pulverfass, das ich in meinem Revier, unabhängig von Jimmy Riddle, nicht explodieren sehen will. Und jetzt an die Arbeit.«
* II
Da es schneller war, zu Fuß zur Leaview-Siedlung zu gehen, als mit dem Wagen durch Eastvales verwirrendes System aus Einbahnstraßen zu fahren, schlüpfte Susan zum Notausgang hinaus und nahm die gewundenen Kopfsteinpflastergassen hinter dem Polizeirevier zur King Street. Sie kam am Krankenhaus vorbei, dann an dem gotischen Bau der Eastvaler Gesamtschule mit den Mauertürmchen, der Uhr und dem Glockenturm und dem armseligen, überwucherten Park gegenüber, bevor sie die Leaview-Siedlung erreichte. Der Himmel war heute bedeckt, zudem war es windig und gelegentlich nieselte es, aber zumindest war es nicht kalt.
In dem trüben Licht sah der Garten der Foxes weniger beeindruckend aus, dachte Susan, als sie an der Tür klingelte. Doch die Rosen blühten noch immer, als wären sie von einem inneren Glühen erfüllt. Sie hatte Lust, eine zu pflücken und nach Hause mitzunehmen, aber sie tat es natürlich nicht. Das hätte gerade noch gefehlt.
Sie sah schon die Schlagzeilen vor sich: POLIZISTIN STIEHLT TRAUERNDER FAMILIE WERTVOLLE ROSEN. Jimmy Riddle hätte seine Freude daran. Seine Glatze würde sich dunkelrot färben. Und mit ihrer Beförderung wäre es vorbei.
Josie Fox hatte heute ihr Haar zurückgebunden, ihr Gesicht sah blass und mitgenommen aus und ihre Lippen wirkten ohne Makeup blutleer. Sie trug einen weiten olivfarbenen Pullover und schwarze Jeans.
»Ach, Sie sind's. Kommen Sie herein«, sagte sie teilnahmslos und trat zur Seite.
»Tut mir Leid, Sie zu stören«, sagte Susan, während sie ihr ins Wohnzimmer folgte. »Aber ich habe noch ein paar Fragen.«
»Selbstverständlich. Nehmen Sie Platz.«
Susan setzte sich. Josie Fox tat es ihr gleich und verschränkte ihre langen Beine. Mit Daumen und Zeigefinger massierte sie ihren Nasenrücken.
»Wo ist Ihr Mann heute?«, fragte Susan.
Sie seufzte. »Steven ist bei der Arbeit. Ich habe ihm gesagt, er solle nicht gehen, aber er meinte, es wäre besser für ihn, etwas zu tun zu haben, als den ganzen Tag untätig zu Hause zu sitzen. Ich bin im Grunde ganz froh, ihn
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