Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
gefallen.
»Dass sie dir so auf die Nerven geht, hätte ich nicht gedacht«, sagte Banks und ging zurück zur Stereoanlage.
»Nein, lass es«, sagte Sandra. »Du hast die Musik aufgelegt. Du hast deinen Standpunkt klargemacht. Lass sie einfach an.«
»Welchen Standpunkt?«
»Welchen Standpunkt? Das weißt du genau.«
»Nein, weiß ich nicht. Sag es mir!«
Sandra schnaubte. »Oper. Die Scheißoper. Die wichtigste Sache auf deiner Tagesordnung. Wahrscheinlich in deinem ganzen Leben.«
Banks setzte sich und nahm seinen Scotch. »Ach, geht das jetzt wieder los?«
»Ja, jetzt geht das wieder los.«
»Gut, dann mach weiter.«
»Was weitermachen?«
»Schütte dein Herz aus.«
»Das gefällt dir, was?«
»Was?«
»Es gefällt dir, wenn ich mein Herz ausschütte. Lass die Kleine ein paar Minuten herumbrüllen, damit du deinen Kumpels erzählen kannst, was für ein blödes Weibsbild sie ist. Tue so, als wenn du zuhörst, sei reuig, und mach danach einfach so weiter, als sei nichts geschehen.«
»Das stimmt doch gar nicht«, protestierte Banks. »Wenn du ein Problem hast, dann sag es mir. Lass uns darüber reden.«
Sandra nahm ein Dia und schob ein paar lose Haarsträhnen hinter ihre Ohren. »Ich will nicht darüber reden. Es gibt nichts zu reden.«
Angela Gheorghiu sang mittlerweile »Aubade« aus Chérubin, doch die Schönheit der Musik erreichte Banks nicht.
»Hör zu, es tut mir Leid«, sagte er. »Mir war nicht klar, dass es dir so wichtig war.«
Sandra schaute ihn von der Seite an. »Das ist alles, oder was?«, fauchte sie.
»Was?«
»Es ist immer das Gleiche. Du denkst nie darüber nach, wie wichtig mir etwas sein könnte. Deine Bedürfnisse kommen immer zuerst. Wie die Scheißoper. Hast du mich jemals gefragt, was ich hören möchte? Du legst einfach deine bescheuerte Oper auf, ohne einen Gedanken an mich zu verschwenden.«
Banks stand wieder auf. »Ich habe gesagt, es tut mir Leid. Okay? Ich mache die Musik aus, wenn sie dich so sehr stört.«
»Lass es. Es spielt sowieso keine Rolle mehr. Es ist zu spät.«
»Zu spät für was?«
»Ach, Alan, hör doch endlich auf. Siehst du nicht, dass ich arbeiten muss?« Sie deutete auf die über den Tisch verteilten Dias.
»Wunderbar«, sagte Banks. »Wunderbar. Du bist sauer, aber du willst nicht darüber sprechen. Du hasst die Oper, aber du willst, dass ich die CD laufen lasse. Ich bin derjenige, der sich nicht um deine Bedürfnisse und Gefühle kümmert, aber in diesem Moment musst du arbeiten. Dann ist ja alles in bester Ordnung, verdammt nochmal.«
Banks kippte den Rest des Laphroaigs hinunter, nahm seinen Mantel vom Garderobenständer im Flur und schlug die Haustür hinter sich zu.
* VIER
* I
Banks war der Erste, der am Dienstagmorgen zur Sitzung der Kriminalpolizei im »Sitzungssaal« des East-valer Polizeireviers erschien, kurz darauf folgten Detective Constable Susan Gay, Superintendent Gristhorpe und schließlich Sergeant Hatchley.
Von Susan vorgewarnt, fürchtete Banks, dass auch Jimmy Riddle auftauchen könnte. Riddle war ein berüchtigter Frühaufsteher und die gut dreißig Meilen Landstraße vom Bezirkspräsidium nach Eastvale würden ihn auch zu dieser Stunde nicht abschrecken. Besonders wenn er dadurch die Gelegenheit hatte, Banks Kummer zu machen.
Banks wusste, dass er dem Chief Constable über kurz oder lang gegenübertreten musste - Gristhorpe sagte, er hätte seinen Rüffel bereits abbekommen, weil er seinen Chief Inspector zu weit von der Leine gelassen hatte -, aber es musste ja nicht unbedingt am frühen Morgen sein, der noch nie seine bevorzugte Tageszeit gewesen war. Erst recht heute nicht, da er nach seinem Streit mit Sandra am vergangenen Abend ins Queen's Arms gegangen war und ein Glas zu viel getrunken hatte. Ihm war klar, dass er sich falsch verhalten hatte. Vernünftig war er jedenfalls nicht gewesen. Er lebte schon lange genug mit Sandra zusammen, um zu wissen, dass es, wenn sie derartig heftig reagierte - was selten vorkam -, bedeutete, dass ihr etwas Wichtiges auf der Seele lag. Und er hatte sich nicht bemüht herauszufinden, was es war. Stattdessen war er davonge-rannt wie ein trotziger Teenager.
Überraschenderweise war Jimmy Riddle auch dann noch nicht aufgetaucht, als Kaffee und Kekse serviert wurden. Das hieß wohl, dass er nicht mehr kommen würde, dachte Banks
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