Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
roten Ziegeln erbaut, manche aus Stein; manche waren schwarz oder grau gestrichen worden; manche hatten Giebel-, manche Flachdächer. Aber alle schienen eine Menge Fenster zu haben.
Banks wich ein paar Fahrradfahrern aus und ging in die Hotellobby. Der Mann an der Rezeption sprach gutes Englisch. Banks erinnerte sich von seiner früheren Reise, dass die meisten Menschen in Amsterdam gut Englisch sprachen. Sie hatten keine Wahl. Welcher Engländer gab sich schließlich die Mühe, Niederländisch zu lernen?
Ja, sagte der Mann, sein Zimmer sei fertig, und er war erfreut, ihm eines mit Blick auf die Gracht anbieten zu können. Frühstück würde im Saal im Erdgeschoss zwischen sieben und neun Uhr serviert. Er entschuldigte sich, dass das Hotel keine eigene Bar hatte, aber es gab viele gute Etablissements in der Nähe, die man zu Fuß erreichen konnte. Er wünschte Banks einen angenehmen Aufenthalt.
Als Banks seine Kreditkarte hervorzog, winkte der Empfangschef ab und sagte ihm, dass das Zimmer bereits bis Montagmorgen bezahlt worden war. Banks versuchte herauszufinden, wer die Rechnung beglichen hatte, doch da wurde der Mann äußerst verschlossen und sein Englisch verschlechterte sich zunehmend. Banks gab es auf.
Dann händigte der Empfangschef ihm eine Nachricht aus: ein einzelnes Blatt Papier, auf dem in getippten Buchstaben stand: »De Kuyper's: 16.00 Uhr.«
Banks fragte, was »De Kuyper's« bedeutete, und erhielt die Antwort, dass es ein Café war, eine Art niederländischer Pub, und sich ungefähr hundert Meter zu seiner Linken an der Gracht befand. Es lag an einer ruhigen Straßenecke und würde vermutlich ein paar Tische draußen haben. Ein sehr nettes Lokal. Er könne es nicht verfehlen.
Das Zimmer war eine Mansarde mit Giebeln in der fünften Etage, zu der enge Treppen hinaufführten. Als Banks oben ankam, keuchte er und hatte Schweißperlen auf der Stirn.
Obwohl man sich in dem Zimmer kaum rühren konnte und das Bett winzig war, war es sauber. Über die Decke verliefen schwarze Holzbalken, die Wände waren mit blassblauer Tapete bedeckt. Es duftete angenehm nach Zitrone. Auf dem Nachttisch stand neben der Leselampe und dem Telefon ein blauer Aschenbecher. Außerdem gab eS einen kleinen Fernseher und ein Bad.
Der Grachtenblick machte die Unzulänglichkeiten mehr als wett. Banks gefiel besonders die Art, wie sich die Decke und die schwarz gestrichenen Balken zum Giebelfenster neigten und den Blick förmlich hinauslenkten. Und tatsächlich schaute er hinunter auf die Keizersgracht und die hohen, eleganten Fassaden der Gebäude gegenüber. In dem Zimmer war es etwas zu warm und zu stickig, deshalb öffnete er das Fenster und ließ die entfernten Straßengeräusche herein. Er schaute auf seine Uhr. Erst nach zwei. Noch eine Menge Zeit für eine Dusche und ein Nickerchen vor dem geheimnisvollen Treffen. Doch zuerst griff er nach dem Telefon. Es gab immer noch die Möglichkeit, dass Sandra ihre Meinung geändert hatte.
* II
Susan Gay machte sich Sorgen um Banks. Während sie mit einem schwarzen Kaffee und einem sündhaft kalorienreichen Kit-Kat zurück in ihr Büro ging, musste sie an den kurzen, verwirrenden Anruf denken. Was dachte er sich dabei, mitten in einer brisanten Ermittlung ein paar Tage freizunehmen? Wo sie gerade kurz davor waren, Mark Wood aufzuspüren. Na gut, es war Wochenende. Auf jeden Fall fast. Aber war ihm denn nicht klar, dass Jimmy Riddle durchdrehen würde, wenn er es herausfand? Selbst Superintendent Gristhorpe würde verärgert sein.
Es musste mehr dahinter stecken. Sein Tonfall bei dem Telefonat machte ihr Sorgen. Kurz angebunden. Zerstreut. Das sah ihm gar nicht ähnlich.
Lag es an dem, was er in Amsterdam wollte? Hatte ihn das beunruhigt? Waren Gefahren mit der Reise verbunden oder etwas Illegales? Anders als manche Polizisten, die Susan kannte, überschritt Banks nur selten die Grenzen des Gesetzes, aber wenn er es tat - und irgendwann tat es jeder Polizist -, dann sah er keine andere Möglichkeit mehr. Verfolgte er eine Spur?
Aber sie konnte nur spekulieren, dachte sie, und wahrscheinlich würde sie es nicht erfahren, ehe er zurückkam und seine Motive verriet. Falls er sie überhaupt verriet. Bis dahin war es am besten, mit ihrer Arbeit fortzufahren und aufzuhören, sich wie eine Glucke zu benehmen.
Bisher hatte sie noch nicht viel Glück bei der Suche nach Mark Wood gehabt. Alle Eintragungen im Telefonverzeichnis zu
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