Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
nicht weiter darauf ein.
»Aber zurück zu Neville Motcombe«, fuhr Burgess nach einem großen Schluck seines wässrigen Lagers fort. »Wir wissen, dass er Verbindungen zu anderen rechten Gruppierungen in Europa und Amerika unterhält. Während der letzten vier Jahre ist er häufig nach Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Holland gereist. Er ist auch in Griechenland und in der Türkei gewesen.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass die Türkei ein interessantes Reiseziel für einen Neonazi ist«, sagte Banks.
»Sie wären überrascht. Es gibt eine Menge rechter türkischer Gruppierungen mit Zugang zu Waffen. Sie kriegen sie billig von den Russen in Aserbaidschan oder Armenien. Die Türkei ist für eine Menge übler Machenschaften strategisch sehr gut gelegen. Und vergessen Sie nicht, der Türke ist ein schleimiger Bursche. Egal, Motcombe hat zudem eine Reihe von militärischen Trainingscamps im Südwesten der Vereinigten Staaten besucht, und er wurde dabei gesehen, wie er das Hauptquartier einer Nazipartei in Lincoln, Nebraska, betreten hat. Nur zu Ihrer Information: Von dort stammen die meisten Baupläne für Bomben und Sprengsätze. Dieser Kerl hat also mit der Sorte von Leuten geredet, die dieses Regierungsgebäude in Oklahoma City in die Luft gejagt haben.« Burgess deutete mit seiner Zigarre auf Banks. »Egal, was Sie machen, Banks, unterschätzen Sie Neville Motcombe nicht. Und außerdem, wenn man diese ganze Sache erst einmal durchschaut, dann hat sie im Grunde nichts mit Politik zu tun. Es geht um etwas anderes.«
»Was?«
»Geld. Einer der türkischen Rechten, mit dem Motcombe in letzter Zeit häufig per Internet kommuniziert hat, steht als internationaler Drogendealer im Verdacht. Hauptsächlich Heroin. Und zufälligerweise wissen wir, dass er nach neuen Absatzmärkten in England sucht. Die beiden haben sich kennen gelernt, als Motcombe den Sommer über in der Türkei war, und während der letzten drei Wochen hat der elektronische Verkehr dramatisch zugenommen. Die Drähte glühen, könnte man sagen.«
»Und was beinhaltet dieser Schriftverkehr?«
»Tja, da liegt das Problem. Unsere Computerfritzen beobachten diese Cyber-Nazis, wie man sie nennt, schon lange. Einige von ihren Passwörtern sind uns bekannt; ein bisschen was können wir also lesen. Bis sie darauf kommen, dass wir sie überwachen, und die Passwörter ändern. Das Problem ist, dass einiges von dem richtig heißen Zeug verschlüsselt ist. Sie benutzen PGP und sogar noch weiter entwickelte Verschlüsselungsprogramme. Ohne Scheiß, Banks, im Vergleich zu diesen Dingern ist jedes Rätsel ein Kinderspiel.«
»Sie können die Nachrichten also nicht entschlüsseln?«
»Tja, nicht ganz. Vielleicht plaudern sie nur über die Holocaust-Lüge oder so einen Schwachsinn, aber so, wie ich den Türken kenne, bezweifle ich es. Ich würde sagen, er hat die Pipeline gefunden, die er gesucht hat.«
Banks schüttelte den Kopf. »Und Jason Fox?«, fragte er. »Glauben Sie, das könnte etwas mit seinem Tod zu tun haben?«
Burgess zuckte mit den Achseln. »Ist schon ein komischer Zufall, oder? Und ich weiß, dass Ihnen Zufälle nicht gefallen. Ich dachte nur, Sie sollten unterrichtet sein, das ist alles.«
»Was für ein Haufen Schwachsinn«, sagte Banks. »Und hören Sie mir auf mit diesem mysteriösen Agentenkram. Verschlüsselte E-Mails. Vage Verdächtigungen. Haben Sie mich deswegen hierher beordert?«
Burgess sah gekränkt aus. »Nein«, sagte er. »Auf jeden Fall nicht nur. Im Grunde weiß ich selbst noch nicht viel darüber.«
»Und weswegen bin ich nun hier?«
»Weil eine sehr wichtige Person hier ist, für mindestens eine Woche hier sein muss. Weil es erforderlich ist, dass Sie mit dieser Person sprechen, bevor Sie auch nur einen weiteren Schritt in Ihrer Ermittlung unternehmen. Und weil Sie beide zu Hause nicht zusammen gesehen werden dürfen. Glauben Sie mir, der Mann wird Ihnen wesentlich mehr erzählen können als ich. Reicht das?«
»Und telefonisch wäre es nicht möglich gewesen?«
»Ach, jetzt machen Sie mal halblang, Banks. Wenn man Charlie und Di abhören kann, dann kann man auch Sie abhören. Telefone sind nicht sicher. Hören Sie auf, herumzumeckern und genießen Sie Ihren Aufenthalt. Es gibt ja nicht nur Arbeit. Ich meine, worüber beschweren Sie sich? Sie haben ein Gratiswochenende in einer der aufregendsten Städte der Welt bekommen. Okay?«
Banks
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