Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
Geheimdienst um die Ecke gebracht wurde.«
Annie lachte. »Mata Hari?«
»Möglich. Egal, was passierte mit Miss Violet Croft?«
Annie blätterte eine Seite in ihrem Spiralblock um. »Als Nächstes bin ich zu Saint Jude gegangen. Der junge Vikar dort war sehr hilfsbereit. Alle alten Unterlagen des Gemeindearchivs und die Gemeindeblättchen aus Saint Bart werden dort in der Sakristei aufbewahrt. Massenweise Kartons. Violet Croft, eine der Kirchengemeinde angehörende unverheiratete Frau, starb im Juli 1940 an Lungenentzündung. Sie wurde 77.«
»Dann scheidet sie aus. Was ist mit den Shackletons?«
»Sehr viel interessanter. Der Mann hieß Matthew Stephen Shackleton, der Mädchenname der Frau war Gloria Kathleen Stringer. Brautjungfern waren Gwynneth Shackleton und Cynthia Garmen.«
»Waren sie in Hobb's End ansässig?«
»Matthew Shackleton schon. Seine Eltern wohnten High Street 38. Sie hatten den Zeitungsladen. Die Braut stammt laut Angaben aus London, Eltern verstorben.«
»London ist groß«, murmelte Banks. »Wie alt war sie?«
»Neunzehn. Geboren am 17. September 1921.«
»Interessant. Dann wäre sie zu Kriegsende im passenden Alter gewesen.«
»Stimmt.«
»Kinder?«
»Nein. Ich habe die Taufeinträge durchgesehen, aber da steht nichts. War er sich denn bezüglich der Geburten sicher, was meinen Sie?«
»Das Gefühl hatte ich schon. Sie haben die Kerben doch selbst gesehen.«
»Ich könnte eine Geburtsfurche nicht von einem Loch im Boden unterscheiden. Es könnte aber auch eine Verletzung sein, die ihr post mortem zugefügt wurde, oder nicht? Ich meine, so etwas ist doch oft gar nicht genau zu sagen.«
»Könnte schon sein. Wir werden Dr. Glendenning fragen, wenn er die Autopsie vorgenommen hat. Wissen Sie was? Langsam dämmert vor meinem inneren Auge eine Vision des Londoner Standesamts - wie wär's damit?«
Annie stöhnte. Geburts-, Heirats- und Todesurkunden prüfen war eine der langweiligsten Aufgaben, die man einem Beamten übertragen konnte. Das einzig Positive daran war, dass man nach London fahren musste, doch wurde die Freude darüber von der Weigerung der Dienststelle getrübt, die Kosten für eine Übernachtung zu übernehmen. Also keine Zeit zum Einkaufen.
»Hatten Sie Glück bei der Schulbehörde?«, erkundigte sich Banks.
»Nein. Die behaupten, sie hätten die Unterlagen von Hobb's End verloren oder verlegt. Genauso wenig Glück bei den Ärzten. Die in Hobb's End eine Praxis hatten, sind alle tot, und die Praxen wurden nicht weitergeführt. Die Unterlagen wohl auch nicht. Ich schätze, wir können uns von dieser Spur verabschieden.«
»Schade. Was sagt Ihr Instinkt dazu, Annie?«
Annie wies mit dem Daumen auf sich. »Moz?«
»Ja, Ihr Instinkt. Ich wüsste gern, was Sie bisher in Bezug auf den Fall für ein Gefühl haben.«
Annie war überrascht. Kein Vorgesetzter hatte sie je nach ihren Gefühlen, ihrer weiblichen Intuition gefragt. Banks war tatsächlich anders. »Hm, Sir«, sagte sie, »zuerst mal glaube ich nicht, dass da eine Fremde umgebracht wurde.«
»Warum nicht?«
»Sie haben nach meinen Gefühlen gefragt, nicht nach einem begründeten Verdacht.«
»Gut.«
»Es wirkt wie eine familiäre Angelegenheit. Wie dieser Kerl, der seine Frau abmurkste und sich nach Kanada absetzte.«
»Dr. Crippen?«
»Ja, der. Ich hab mal gesehen, wie Donald Pleasence ihn im Fernsehen gespielt hat. Gruselig.«
»Crippen vergrub seine Frau unterm Kellerboden.«
»Keller, Schuppen, alles das Gleiche.«
»Gut, ich verstehe, was Sie meinen. Folgerung?«
»Opfer ist Gloria Shackleton.«
»Mörder?«
»Ehemann oder jemand anders, der sie kannte.«
»Motiv?«
»Das weiß der Himmel. Eifersucht, Sex, Geld. Suchen Sie sich eins aus. Ist das wichtig?«
»Haben Sie Mrs. Kettering gefragt, ob sie noch mit jemandem zu tun hat, der früher in Hobb's End wohnte?«
»Tut mir Leid, das habe ich vergessen.«
»Fragen Sie sie. Vielleicht können wir ein paar Leute auftreiben, die die Shackletons tatsächlich kannten. Wer weiß, wo die früheren Einwohner jetzt leben? Vielleicht beschert es uns ja ein Wochenende in Paris oder New York?«
Annie merkte, dass Banks den Blick abwandte. Flirtete er? »Das wäre toll«, sagte sie und versuchte, so neutral wie möglich zu klingen. »Wie dem auch sei, ich glaube eher, dass es die Art von
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