Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
ging mit seinem Bier in die Küche. Er setzte sich an den Küchentisch. Annie hockte vor dem Kühlschrank und holte Gemüse heraus. Die Jeans stand ihr gut.
»Ist Pasta okay?«, fragte sie, den Kopf leicht nach hinten gewandt.
»Toll. Ist schon lange her, dass ich was Selbstgekochtes gegessen hab. Momentan ess ich entweder Pubfraß oder was Schnelles, Einfaches von Marks & Spencer.«
»Ah, die kleinen Freunde des einsamen Essers.«
Banks lachte. Es war komisch und ziemlich traurig - er hatte oft bemerkt, wie viele junge Singlemänner und -frauen kurz nach fünf an einem Wochenabend durch die Lebensmittelabteilung von Marks & Spencer liefen, hier nach einem Shrimps Vindaloo griffen, es sich wieder anders überlegten, stattdessen eine Singleportion Hühnchen auf Kiew-Art mit einer Packung gemischtem Gemüse wählten. War bestimmt ein guter Ort, um eine Frau aufzugabeln.
Annie ließ Wasser in einen großen Topf laufen, fügte etwas Salz und Olivenöl hinzu und setzte ihn auf den Gasring. Beim Putzen und Schneiden von Pilzen, Schalotten, Knoblauch und Zucchini machte sie nicht eine überflüssige Handbewegung. Ihre Bewegungen besaßen eine gewisse ökonomische Eleganz, die Banks ziemlich hypnotisch fand; Annie hatte etwas Natürliches, in sich Ruhendes an sich, das ihn entspannte.
Sie ging zum Küchenschrank, holte eine Flasche Rotwein heraus und entkorkte sie.
»Sie auch?«
Banks hob sein Bier. »Zuerst trink ich das hier aus.«
Annie schenkte sich großzügig ein. Bald war das Öl in der Bratpfanne heiß, so dass sie das Gemüse hineintat. Als es fertig war, gab sie Dosentomaten und eine Handvoll Kräuter hinzu. Banks nahm sich vor, Kochen zu seinem nächsten Projekt zu machen, wenn er die Reparatur des Cottage abgeschlossen hatte. Auch damit konnte man sich Depressionen vom Hals halten. Er aß gerne, also war es doch sinnvoll, richtig kochen zu lernen, wo er nun allein war.
Als Banks das Bier fast ausgetrunken hatte, verkündete Annie, das Essen sei fertig, und stellte zwei dampfende Teller auf den Tisch. Don Cherry war zu Ende, und sie legte Emmylou Harris auf, deren Stimme im Hals immer an scharfen Kanten entlangzuschrammen schien, bevor sie herauskam. Sie sang von Einsamkeit, Verlust, Schmerz. Alles Dinge, unter denen sich Banks etwas vorstellen konnte. Er mahlte frischen Pfeffer und rieb Parmesan über seine Pasta und mischte alles. Nachdem er probiert hatte, lobte er Annie.
»Sehen Sie«, erwiderte sie, »nicht immer nur Salat und Tofu. Wenn man Vegetarier ist, lässt man sich in der Küche etwas mehr einfallen.«
»Merk ich schon.«
»Wein?«
»Ja, bitte.«
Annie holte die Flasche bulgarischen Merlot von Sains-bury's, goss sich nach und schenkte Banks ein Glas ein. »Davon ist noch eine Menge da«, sagte sie. »Wissen Sie, ich würde wirklich gerne mehr über diesen Künstler aus Hobb's End herausfinden, über diesen Michael Stanhope.«
»Warum? Glauben Sie, er hat was mit dem Fall zu tun?«
»Könnte schon sein, oder? Er lebte schließlich während des Krieges in Hobb's End. Vielleicht kannte er diese Shackleton. Möglicherweise gibt es noch andere Bilder. Sie könnten uns etwas verraten.«
»Könnten sie«, stimmte Banks zu. »Obwohl ich mir nicht sicher bin, inwiefern man sich auf Kunst als Beweisstück verlassen kann, selbst wenn er den Mord gemalt hätte.«
Annie lächelte. »Vielleicht nicht. Aber Künstler verzerren oft die Realität, um so die Wahrheit aufzudecken.«
»Glauben Sie das?«
Annies Augen mit den schokoladenbraunen Pupillen glänzten im schwächer werdenden Licht. »Ja«, erwiderte sie. »Das glaube ich. Nicht was meine Bilder betrifft. Wie gesagt, ich bin technisch versiert, aber mir fehlt das, was einen großen Künstler ausmacht. Die Vision. Leidenschaft. Intensität. Wahnsinn. Keine Ahnung. Wahrscheinlich das, was die meisten >Genie< nennen. Dabei ist die Weltsicht des wahren Künstlers genauso zulässig wie jede andere. Vielleicht in mancherlei Hinsicht noch viel treffender, weil er sich bemüht, tiefer zu sehen, erleuchtet zu werden.«
»Eine Menge Kunst ist alles andere als erhellend.«
»Ja, aber das liegt oft daran, dass das Thema oder die Wahrheit, die der Künstler zu ergründen sucht, so schwer fassbar ist, dass er sich ihr nur mit Symbolen oder vagen Bildern nähern kann. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will nicht sagen, dass Künstler immer eine besonders tiefe
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