Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
jüngere Schwester namens Gwynneth. Ich nehme an, sie war auch die Trauzeugin.«
»Was ist aus ihr geworden?«
»Soweit ich weiß, war sie im März 1942, als die letzte Ausgabe erschien, noch im Dorf. Hat sogar einen kleinen Artikel über den Anbau von Gartenzwiebeln verfasst.«
»Faszinierend. Was ist mit Matthew?«
»Das letzte Mal wird er erwähnt, als er nach Übersee verschifft wird.«
»Wohin?«
»Steht da nicht. Wahrscheinlich geheim.«
»Hast du eine Ahnung, wo die ganzen Leute hinzogen, als Hobb's End geräumt wurde?«
»Nein. Aber ich habe Ruby Kettering angerufen. Sie kennt noch zwei Frauen, die während des Krieges in Hobb's End lebten. Die eine heißt Betty Goodall, sie wohnt jetzt in Edinburgh, und die andere ist eine Alice Poole aus Scarborough. Sie meint, die beiden würden entzückt sein, mit uns zu sprechen.«
»Gut. Hör zu, ich hab mir überlegt, Sergeant Hatchley morgen zum Standesamt nach London zu schicken. Was ist dir lieber: Edinburgh oder Scarborough?«
»Ist mir egal. Hauptsache, ich muss keine Geburts-, Todes- und Heiratsanzeigen durchsehen.«
»Ich werfe eine Münze. Kopf oder Zahl?«
»Wie soll ich dir denn am Telefon glauben?«
»Glaub mir einfach. Kopf oder Zahl?«
»Das ist doch verrückt. Kopf.«
Annie wartete einen Moment und hörte das Geräusch einer auf einen Metalltisch klimpernden Münze. Sie grinste in sich hinein. Abgefahren. Banks kam zurück ans Telefon. »Es war Kopf. Such's dir aus.«
»Ich hab dir ja gesagt, eigentlich ist es mir egal. Dann nehme ich Scarborough, wenn du unbedingt willst. Ich mag die Küste da und ich muss nicht so lange fahren.«
»Gut. Wenn ich früh genug loskomme, bin ich am frühen Abend aus Edinburgh zurück. Dann haben wir noch genug Zeit, um uns auszutauschen. Aber zuerst möchte ich heute Abend was in die Nachrichten setzen.«
»Und was?«
»Ich' will Glorias Namen ausstrahlen lassen, mal sehen, ob jemand reagiert. Ich weiß, das könnte ein wenig voreilig sein, aber man weiß ja nie. Wir haben nicht die geringste Ahnung, was aus den Shackletons geworden ist, und Gloria hatte vielleicht Familie in London, von der noch jemand lebt. Möglicherweise weiß jemand, was mit ihr passiert ist. Und wenn wir vollkommen daneben liegen, kommt sie vielleicht auf der Dienststelle vorbei, damit wir wissen, dass sie noch lebt.«
Annie lachte. »Gut.«
»Also, ich wollte es mal mit dem Lokalfernsehen versuchen. Da kann ich sie überreden, die Postkarte zu zeigen.«
»Wie? Eine Nackte im Lokalfernsehen?«
»Können sie ja schwärzen.«
»Sag mir Bescheid, um wie viel Uhr es läuft.«
»Warum?«
»Damit ich den Videorekorder programmieren kann. Tschüss.«
»Jimmy Riddle glaubt also, er hätte Ihnen hiermit so richtig einen reingewürgt?«, fragte Sergeant Hatchley und schluckte den ersten Bissen getoasteten Teekuchen herunter.
»Wenn man es so drastisch ausdrücken will: ja«, antwortete Banks. »Außerdem glaube ich, war er sich ziemlich sicher, dass dieser Fall nichts mit Rassenproblematik oder seinen einflussreichen Bonzenfreunden aus der Loge zu tun hat.«
»Hm, da würde ich nicht drauf wetten«, sagte Hatchley. »Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass ein paar von denen so ihre Leichen im Keller haben.«
»Ups.«
Sie saßen im Golden Grill auf der anderen Straßenseite des Reviers von Eastvale. Die Market Street war voller Touristen, die sich Jacken oder Strickjacken um die Schultern geschlungen hatten und Fotoapparate um den Hals trugen. Wie die Schafe oben auf den ungezäunten Wegen im Moor schoben sie sich über die enge Straße. Die hupenden Lieferwagen kamen nur schrittweise voran. Die meisten Tische waren bereits besetzt, aber sie hatten noch einen weiter hinten gefunden. Sobald die beiden Platz genommen und bei der geschäftigen Kellnerin ihre Bestellung aufgegeben hatten, erzählte Banks Hatchley von dem Skelett. Als er fertig war, wurde das Essen aufgetischt.
Banks wusste, dass sein Sergeant als Faulenzer und Rowdy bekannt war. Sein Aussehen machte es nicht gerade besser. Hatchley war groß, langsam und massig, wie ein in die Jahre gekommener Rugby-Stürmer. Er hatte strähniges Haar, einen rosa Teint mit Sommersprossen und eine Schweinsnase. Seine Anzüge glänzten speckig, die Krawatten waren fleckig - normalerweise sah er aus, als sei er gerade durch den Dreck gezogen worden. Aber
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