Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
jedes Mitglied der Streitkräfte unterwegs, um gegen die Hunnen oder die Japsen zu kämpfen. Leider. Soldaten waren überall. Aber nicht nur britische.«
»Was für Soldaten waren hier?«
Zum ersten Mal während des Gesprächs entschlüpfte Mrs. Goodall ein kleines Lächeln. Das machte sie Banks ein ganzes Stück sympathischer. »Die hier waren, waren sexbesessen«, erwiderte sie, »überbezahlt und fern der Heimat.«
»Amerikaner?«
»Ja. Die Royal Air Force übergab Rowan Woods der amerikanischen Luftwaffe.«
»Bekamen Sie die Amerikaner oft zu Gesicht?«
»O ja. Sie kamen oft zum Trinken in die Pubs im Dorf oder sie besuchten die Tanzveranstaltungen im Gemeindesaal. Manche gingen sogar sonntags zum Gottesdienst. In der Kaserne war zwar auch eine Kirche, aber St. Bartholo-mew ist so eine schöne alte Kirche. Eine Schande, dass sie abgerissen werden musste.«
»Also hatte Gloria amerikanische Freunde?«
»Mehrere. Und ich brauche Ihnen wohl nichts über die Gelegenheiten zu Unzucht und Verdorbenheit zu erzählen, die ein weitläufiges Waldgebiet wie Rowan Woods zu bieten hat, oder?«
Banks fragte sich, ob sie eine Verneinung als Hinweis auf persönliche Erfahrungen verstehen würde. Er entschied, es nicht zu riskieren. »Gab es jemand Besonderes?«, fragte er.
»Das hätte ich nicht mitbekommen. Ich hielt mich von ihnen fern. Glaubt man Cynthia Garmen, hatte sie mehr als einen. Nicht dass Cynthia geschwätzig gewesen wäre. Nicht mehr jedenfalls, als ihr zustand.«
»Warum?«
»Nun, sie hat doch selbst einen von denen geheiratet, oder? Ist nach Pennsylvania gezogen oder so ähnlich.«
»Also interessierte sich niemand ernsthaft für Gloria?«
»Oh, ich bezweifle nicht, dass diese Liebschaften nur ebenso ernsthaft waren, wie eine Frau wie Gloria Shackleton es ernst meinen konnte. Eine verheiratete Frau.«
»Aber Sie sagten doch, sie dachte, ihr Mann sei tot.«
»Vermisst oder verschollen. Das ist nicht ganz dasselbe. Außerdem ist das keine Entschuldigung.« Mrs. Goodall schwieg eine Weile, dann sagte sie: »Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Chief Inspector?«
»Bitte sehr.«
»Warum fragen Sie mich nach so vielen Jahren nach dieser Shackleton?«
»Sehen Sie keine Nachrichten?«
»Ich lese lieber historische Biographien.«
»Keine Zeitung?«
»Gelegentlich. Aber nur die Todesanzeigen. Was möchten Sie andeuten, Chief Inspector. Habe ich etwas verpasst?«
Banks erzählte ihr von dem ausgetrockneten Stausee und der Entdeckung der Gebeine, die man für Glorias Überreste hielt. Mrs. Goodall erbleichte und umklammerte das silberne Kreuz an ihrem Hals. »Ich möchte nicht schlecht über die Toten sprechen«, stammelte sie. »Das hätten Sie mir früher erzählen sollen.«
»Hätte das etwas an Ihrer Aussage geändert?«
Sie überlegte kurz, seufzte dann und antwortete: »Wahrscheinlich nicht. Ich habe es immer für eine wichtige Tugend gehalten, die Wahrheit zu sagen. Ich kann Ihnen jedoch nicht mehr mitteilen, als dass Gloria Shackleton noch gesund und munter war, als William und ich Hobb's End im Mai 1944 verließen.«
»Vielen Dank«, erwiderte Banks, »das hilft uns, den Zeitraum einzuschränken. Wissen Sie, ob sie Feinde hatte?«
»Das würde man nicht Feinde nennen. Keiner, der das tun würde, was Sie gerade geschildert haben. So wie ich auch, lehnten viele Menschen sie ab. Aber das ist ja etwas anderes. Man bringt ja wohl niemanden um, nur weil er sich nicht der Frauengemeinschaft anschließt. Dürfte ich Ihnen einen Hinweis geben?«
»Ja, bitte?«
»Glauben Sie nicht, dass Sie diesen Fall angesichts Glorias eigensinnigen Charakters als crime passionel betrachten sollten?«
»Möglich.« Banks rutschte im Sessel herum und schlug die Beine in die andere Richtung übereinander. Mrs. Goodall schenkte Tee nach. Er war lauwarm. »Was ist mit Michael Stanhope?«, fragte er.
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Noch so einer.«
»Was für einer?«
»Liederlich, pervers. Sie verstehen schon. Vom gleichen Schlag, er und Gloria Shackleton. Haben Sie eines seiner so genannten Gemälde gesehen?«
Banks nickte. »Es scheint sogar einen Akt von Gloria zu geben. Wussten Sie etwas darüber?«
»Es überrascht mich zwar in keinster Weise, aber nein, davon wusste ich nichts. Glauben Sie mir, wenn so ein Bild existiert, dann war das in Hobb's End nicht
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