Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
konnte, was sie wollte.
Das Handarbeitsgeschäft war warm und trocken und roch nach parfümierten Kerzen, hauptsächlich nach Rosen und Zitrone. Es war die Art von Geschäft, in der alle Ecken und Winkel voll gestopft waren mit so wichtigen Dingen wie Nadelkissen, Garn, Etuis, Stickmustern, Nadeleinfädlern, Stickrahmen, Stichumrechnern und tausend anderen merkwürdigen Dingen. Fertige Stickbilder hingen an den Wänden. Eher ein Ausstellungsraum als ein Geschäft. Einen Ladentisch gab es nicht, dafür eine bequem aussehende Sitzgarnitur, auf der sich die Kunden niederlassen und besprechen konnten, was sie einkaufen wollten.
Eine junge Frau kam aus dem Büro hinter dem Laden, dieselbe Frau, die Bennett bei seinem hastigen Abgang nassgespritzt hatte. Annie stellte sich vor und sagte, sie habe alle Firmen vom SecuTec Büro aus im Uhrzeigersinn abgeklappert.
Die Frau reichte ihr die Hand. »Ich heiße Natalie«, sagte sie. »Willkommen in meinem Reich, wenn man das so nennen kann. Ich kann Ihnen gar nichts sagen, aber ich habe gerade den Kessel aufgestellt, wenn Sie ein paar Minuten im Warmen bleiben wollen.«
»Gerne«, erwiderte Annie. »Für eine Tasse Tee könnte ich jetzt glatt einen Mord begehen.« Wenn das Annehmen einer kostenlosen Tasse Tee bereits als Korruption galt, gab es keinen Polizisten in ganz England, der nicht korrupt war.
»Ist gleich fertig.« Natalie ging zurück ins Büro.
Annie sah sich die Stickmuster an und fragte sich, ob diese Arbeit wohl entspannend oder frustrierend war. Plötzlich kam ihr eine Erinnerung an ihre Mutter in den Sinn, wie sie im Schneidersitz auf dem Boden saß, die langen Haare um sich gebreitet, und eines ihrer fließenden Samtgewänder voller Perlenstickerei trug. Sie arbeitete an einem Stickbild einer örtlichen Dorfszene. Es war eine seltsame Vorstellung, weil Annie noch nie zuvor an ihre Mutter mit einer Handarbeit gedacht hatte, obwohl sie wusste, dass ihre Mutter sich alle Kleider selbst genäht hatte und die immer wunderschön bestickt waren. Sie würde anrufen und Ray fragen, ihren Vater. Vielleicht gab es noch einige der Stickbilder in der Kommune bei St. Ives, und sie konnte eines zur Erinnerung mitnehmen. Ihre Mutter war gestorben, als Annie erst fünf war. Sie bildete sich ein, ihre Mutter würde aufschauen und ihr zulächeln. Annie war plötzlich traurig. Natalie kam mit dem Tee zurück.
Offenbar war Annie die Traurigkeit anzusehen.
»Was ist los?«, fragte Natalie. »Sie sehen aus, als wäre Ihnen ein Geist begegnet, meine Liebe.«
»Ach, nichts. Erinnerungen, mehr nicht.«
Natalie sah sich im Ausstellungsraum um, als suche sie nach dem anstößigen Objekt. Annie beschloss, dass es Zeit war, auf den eigentlichen Zweck ihres Besuchs zurückzukommen. »Danke für den Tee«, sagte sie und trank einen Schluck. »Ich weiß, Sie meinten, Sie könnten mir nichts sagen, aber ich nehme an, Sie haben gehört, was mit Mr. Courage passiert ist?«
»O ja. Hier spricht sich alles schnell rum. Schließlich sind die meisten schon seit der Eröffnung des Firmenparks hier, also kennen wir uns alle. Sollen wir uns nicht setzen?« Sie deutete auf die Sitzgarnitur, und Annie nahm auf dem Sessel Platz. Sie war so erschöpft, dass sie befürchtete, überhaupt nicht mehr aufstehen zu können.
»Haben Sie ihn gekannt?«, fragte sie.
»Nein. Aber ich weiß, dass er noch nicht lange hier war.«
»Seit September.«
»Ach ja? Wenn Sie das sagen. Mr. Bennett hat ihn rumgeführt, bevor er anfing, und uns allen vorgestellt, damit wir ihn wiedererkannten und wussten, wen wir anrufen mussten, wenn es Probleme gab; aber danach habe ich ihn nie wieder gesehen. Wissen Sie, ich bin meistens schon um fünf Uhr weg, außer donnerstags und freitags, da habe ich bis sieben Uhr offen. Zumindest bis nach Weihnachten, dann hat das nicht viel Sinn mehr, bis das Wetter besser wird. Sie wären erstaunt, wie viele Touristen im Frühjahr und Sommer hier vorbeikommen, aber den meisten Umsatz mache ich mit Stammkunden. Handarbeit ist was ziemlich Spezielles. Die Kunden wissen, was sie wollen, und sie wissen, dass ich es da habe. Natürlich rufen sie für gewöhnlich vorher an. Ach du liebe Zeit, da rede und rede ich. Aber ich hab Sie gewarnt, dass ich nichts weiß.«
Annie lächelte und trank ihren Tee. »Das macht doch nichts«, sagte sie. »Gibt mir die Möglichkeit, mich aufzuwärmen und meinen Tee zu trinken. Bisher haben alle,
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