Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
Erniedrigung erzählt hatte, die ihr ein paar Polizeikollegen angetan hatten. »Wer war dieser Andy? Kannten Sie ihn?«
»Wie gesagt, ich hatte ihn schon öfter gesehen. Er ist einer von Barrys Laufburschen. Zumindest hatte ich gehört, wie Barry ihn rumkommandierte. Hat ihn auch total verarscht. Andy stottert, wissen Sie. Das war mit das Demütigendste an der Sache. Als hätte Barry mich einem seiner Angestellten überlassen. Jemand, den er für einen Schwachkopf hielt. Ich kam mir wertlos vor. Wie Scheiße.«
»Wie ist sein voller Name?«
»Andrew Handley. Aber alle nennen ihn Andy Pandy. Na ja, den Rest kennen Sie. Oder das meiste davon.«
»Wie sind Sie da weggekommen?«
»Wir haben gerangelt. Er hatte nicht mit Widerstand gerechnet, darum hab ich ihm einfach das Knie in die Eier gestoßen, und er hat mich geschlagen und losgelassen. Die Tür war nicht verschlossen. Ich bin rausgerannt, nach unten und aus dem Haus, ohne mich umzudrehen. Ich hatte nur Angst, dass Barry mir unten auflauern und mich festhalten würde, aber er war nicht zu sehen. Ich hatte Glück. Wir waren in der Nähe des Victoriabahnhofs, also bin ich zum Taxistand gerannt, und das Einzige, was mir einfiel, war Ihr Hotel. Und das ist alles. Die traurige Geschichte von Barry und Emily. Oder Barry und Louisa.«
»Hat er Sie schon vorher misshandelt?«
»Nein. Aber ich hab ihm auch nie Grund dazu gegeben.«
»Was soll das heißen?«
Emily dachte kurz nach. »Mit Craig war das einfach. Er war eifersüchtig, vielleicht ein bisschen zu sehr, und das machte ihn verrückt. Mit Barry ist das anders. Er ist besitzergreifend, nicht eifersüchtig. Er erwartet Loyalität. Man weiß, dass es bestimmte Grenzen gibt, die man nicht überschreiten darf. Ich bin kein Dummkopf. Ich kann zwar nicht genau sagen, was er macht, aber ich weiß, dass es vermutlich gesetzwidrig ist. Und ich weiß, dass er Menschen Schmerzen zufügt. Ich hab gesehen, was er mit Craig gemacht hat.«
»Gehörte das zu seiner Anziehungskraft?«
»Was? Dass er Menschen Schmerz zufügt?«
»Dass er ein Krimineller ist und Ihr Vater Polizist. Schließlich sind sie beide etwa im selben Alter.«
Emily schnaubte. »So was könnte mein Vater sagen. Nehmt ihr alle denselben Kurs in Poppsychologie?«
»Dahinter steckt eine gewisse Logik.«
»Überhaupt nicht. Barrys Anziehung besteht darin, dass es aufregend ist, mit ihm zusammen zu sein, dass er tolle Partys gibt, tolle Drogen hat und die Leute ihn respektieren.«
»Ihn fürchten, meinen Sie.«
»Was auch immer. Wenn Furcht die einzige Möglichkeit ist, sich Respekt zu verschaffen, was soll daran falsch sein? Niemand kommt Barry blöd.«
»Warum sind Sie dann nicht mehr bei ihm?«
Wieder rieb sie auf der Tischplatte herum. »Das hab ich Ihnen doch gerade erzählt.«
Ein verwirrtes Kind. Banks musste sich zurückhalten, um sich nicht vorzubeugen und seine Hand über ihre zu legen. Von seiner Seite her wäre das nur eine väterliche Geste gewesen, aber er war sich bewusst, dass weder Emily noch sonst jemand im Pub das so sehen würde. Im fiel ebenfalls auf, dass Emily bei der ganzen Liste von Barry Cloughs Vorteilen Sex nicht erwähnt hatte, nicht gesagt hatte, er sei toll im Bett. Banks zweifelte keinen Moment daran, dass Clough Emily sexuell ausgenutzt hatte - das hatte sie bereits zugegeben -, aber für sie, nahm er an, war das nur der Preis, den sie für das erregende Leben zahlen musste, nicht für das gemeinsame Vergnügen. Und dass sie sich so niedrig bewertete, war ein Grund zur Sorge.
»Haben Sie Angst vor ihm, Emily ?«
»Natürlich nicht. Nur ...«
»Was?«
Sie runzelte die Stirn. »Er ist sehr besitzergreifend, wie ich schon sagte. Barry verliert nicht gern seinen wertvollen Besitz.«
Eine Stunde später war Annie nass und durchgefroren und nicht viel klüger. Sie war von einem Ende zum anderen gelaufen, hatte mit Managern und Arbeitern gesprochen und absolut nichts erfahren. Wenn irgendwas Zwielichtiges im Daleview-Firmenpark vorgekommen war, hatte man das sehr geheim gehalten.
Mit großer Erleichterung näherte sie sich der vorletzten Firma. Banks hatte ein Treffen am späten Nachmittag einberufen, um die bisher gesammelten Erkenntnisse zusammenzutragen, und danach hatte Annie die Vision von einem langen heißen Bad, einem Mikrowellenessen von Marks und Sparks und einem Abend allein, an dem sie tun und lassen
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