Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
sie solle sich von ihm fern halten, und als der Mann, dessen Name ihr nicht mehr einfiel, sie eines Tages ansprach, wurde ihr Vater sauer und schickte ihn aus dem Zimmer. Das war eines der wenigen Male, dass sie Ray richtig wütend erlebt hatte. Er gönnte sich hin und wieder ein, zwei Gläschen Wein und rauchte mit Sicherheit immer noch seine Joints, aber er war nicht alkohol- oder drogenabhängig. Meistens wurde er von seiner Arbeit, was für ein Bild es auch gerade war, so stark vereinnahmt, dass so gut wie alles andere zu kurz kam, auch Annie.
Janets Wohnung war ein Saustall. Überall flogen Klamotten herum, auf der Fensterbank und dem Kamin standen halbleere Teetassen. Es roch wie im Zimmer eines Trinkers, diese eigentümliche Mischung aus ungewaschener Haut und dem süßsauren Geruch von Alkohol. Gin, in diesem Fall.
Janet ließ sich in einen Sessel fallen, auf dem ein zerknittertes T-Shirt und eine Jeans lagen, und überließ Annie sich selbst. Annie nahm mehrere Zeitungen von einem Stuhl und setzte sich.
»Was ist diesmal?«, fragte Janet. »Sind Sie hier, um mich festzunehmen?«
»Noch nicht.«
»Was dann? Noch mehr Fragen?«
»Haben Sie gehört, dass Terence Payne tot ist?«
»Hab ich gehört.«
»Wie geht es Ihnen, Janet?«
»Wie es mir geht? Ha. Guter Witz. Hm, mal sehen.« Sie zählte an den Fingern ab. »Abgesehen davon, dass ich nicht schlafen kann, dass ich kreuz und quer durch die Wohnung tiger und Platzangst bekomme, wenn es dunkel wird, abgesehen davon, dass ich es immer wieder durchlebe, wenn ich die Augen zumache, abgesehen davon, dass meine Berufsaussichten so gut wie im Arsch sind, mal sehen, abgesehen davon ... geht's mir super.«
Annie atmete tief durch. Sie war gewiss nicht gekommen, um Janet aufzuheitern, obwohl ihr das lieber gewesen wäre. »Hören Sie, Sie sollten sich wirklich professionelle Hilfe suchen, Janet. Die Gewerkschaft ...«
»Nein! Nein, ich gehe nicht zu irgendwelchen Seelenklempnern. Ich lasse mir nicht an meinem Kopf herumpfuschen. Nicht, solange diese Scheiße nicht ausgestanden ist. Wenn die mit mir fertig sind, weiß ich doch nicht mehr, wie ich heiße. Wie so was wohl vor Gericht ankommt!«
Annie hob die Hände. »Schon gut. Schon gut. Ist Ihre Sache.« Sie holte Papiere aus der Aktentasche. »Ich war bei der Obduktion von Terence Payne, und es gibt ein paar Stellen in Ihrer Aussage, die ich ganz gerne noch mal mit Ihnen durchgehen würde.«
»Wollen Sie damit sagen, dass ich gelogen habe?«
»Nein, überhaupt nicht.«
Janet fuhr sich mit der Hand durch das schlaffe, fettige Haar. »Ich bin nämlich keine Lügnerin. Ich war vielleicht etwas durcheinander, was den genauen Ablauf angeht - es ging alles so schnell aber ich habe es so erzählt, wie ich es in Erinnerung habe.«
»Okay, Janet, das ist in Ordnung. Sehen Sie mal, in Ihrer Aussage haben Sie angegeben, Payne dreimal auf die linke Schläfe und einmal auf das Handgelenk geschlagen zu haben, und einen der Schläge auf die Schläfe hätten Sie beidhändig ausgeführt.«
»Ja?«
»Ja. Stimmt das?«
»Ich kann mich nicht genau erinnern, wie oft ich ihn wohin geschlagen habe, aber es kommt mir richtig vor, ja. Warum?«
»Aus Dr. Mackenzies Obduktionsbericht geht hervor, dass Sie Payne neunmal getroffen haben. Dreimal auf die Schläfe, einmal auf das Handgelenk, einmal auf die Wange, zweimal auf die Schädelbasis, als er kroch oder kniete, und zweimal oben auf den Kopf, als er hockte oder saß.«
Janet schwieg. Vom Flughafen durchbrach ein Jet die Stille, erfüllte sie mit dem Brummen der Motoren und dem Versprechen von fernen, exotischen Orten. Überall, nur nicht hier, dachte Annie. Janet empfand bestimmt dasselbe. »Janet?«
»Was? Haben Sie mich was gefragt?«
»Was sagen Sie zu dem, was ich gerade vorgelesen habe?«
»Keine Ahnung. Ich hab schon gesagt, ich hab nicht mitgezählt. Ich hab nur versucht, mein Leben zu retten.«
»Sind Sie sicher, dass es keine Rache für Dennis war?«
»Was meinen Sie damit?«
»Die Anzahl der Schläge, die Position des Opfers, die Wucht der Schläge.«
Janet wurde rot. »Opfer! So nennen Sie das Schwein? Opfer? Dennis lag da auf dem Boden, das Blut ist nur so aus ihm rausgeschossen, und Sie nennen Terence Payne ein Opfer. Wie können Sie es wagen?«
»Es tut mir Leid, Janet, aber so wird es vor Gericht dargestellt werden. Gewöhnen Sie sich
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