Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
Straffreiheit?«
Sie errötete. »Wenn das so heißt. Ich bin nicht groß zur Schule gegangen.«
»Straffreiheit wovon?«
»Vor Strafverfolgung.«
»Aber wieso sollte ich Sie strafrechtlich verfolgen?«
Ihre Augen blickten überall hin, nur nicht zu Banks. Mit den Händen knautschte sie die Tasche auf ihrem Schoß. »Wegen dem, was ich mache«, sagte sie. »Sie wissen schon ... mit Männern. Ich bin Prostituierte. Nutte.«
»Donnerwetter«, antwortete Banks. »Da wär ich nicht drauf gekommen.«
Sie schaute ihn an, und in ihren Augen glänzten Tränen der Wut. »Sie brauchen gar nicht so ironisch sein. Ich schäme mich nicht für das, was ich bin. Wenigstens geh ich nicht los und sperre unschuldige Leute ein und lasse die schuldigen laufen.«
Banks kam sich wie ein Stück Scheiße vor. Manchmal kapierte er einfach nicht, wann er besser den Mund hielt. Mit seiner sarkastischen Bemerkung hatte er sich nicht besser benommen als der grinsende Constable. »Es tut mir Leid, Candy«, sagte er. »Aber ich bin ein viel beschäftigter Mann. Können wir zur Sache kommen? Wenn Sie mir irgendwas zu sagen haben, dann tun Sie es.«
»Versprechen Sie es?«
»Was verspreche ich?«
»Dass Sie mich nicht einsperren.«
»Ich sperre Sie nicht ein. Ehrenwort. Es sei denn, Sie wollen ein schlimmes Verbrechen gestehen.«
Sie sprang auf. »Ich habe nichts getan!«
»Schon gut. Schon gut. Setzen Sie sich. Bleiben Sie ruhig.«
Langsam nahm sie wieder Platz, diesmal achtete sie auf ihre Absätze. »Ich bin hier, weil Sie sie laufen gelassen haben. Ich hab nichts für Bullen übrig. Aber ihr habt sie laufen lassen.«
»Von wem reden Sie, Candy?«
»Von diesem Pärchen aus der Zeitung, das die Mädchen entführt hat.«
»Was ist mit denen?«
»Es war nur, einmal... da haben sie ... wissen Sie ...«
»Die haben Sie mitgenommen?«
Sie senkte den Blick. »Ja.«
»Beide?«
»Ja.«
»Wie lief das ab?«
»Ich war einfach, na ja, auf der Straße, und die beiden kamen mit dem Auto an. Er hat verhandelt, und als wir uns einig waren, haben sie mich mitgenommen.«
»Wann war das, Candy?«
»Letzten Sommer.«
»Können Sie sich an den Monat erinnern?«
»August, glaube ich. Ende August. Jedenfalls war es warm.«
Banks versuchte, den Zeitpunkt genauer zu berechnen. Die Vergewaltigungen in Seacroft hatten aufgehört, als die Paynes fortzogen, ungefähr ein Jahr vor Candys Erlebnis. Blieb ein Zeitraum von rund sechzehn Monaten, bis Payne Kelly Matthews entführte. Hatte er in der Zwischenzeit vielleicht versucht, seine Neigungen zu kanalisieren, indem er sich an Prostituierte hielt? Und welche Rolle hatte Lucy dabei gespielt?
»Wo war das Haus?«
»Auf The Hill. Es ist das Haus, das ständig in der Zeitung ist. Ich bin da gewesen.«
»Gut. Wie lief das ab?«
»Also, zuerst haben wir was getrunken und uns unterhalten. Ich sollte locker werden, denke ich. Ich fand sie eigentlich ganz nett.«
»Und dann?«
»Was glauben Sie wohl?«
»Es wäre mir lieber, wenn Sie es erzählen.«
»Er meinte, gehen wir nach oben.«
»Nur Sie und er?«
»Ja. Hab ich jedenfalls zuerst gedacht.«
»Weiter!«
»Also, wir sind hoch ins Schlafzimmer und ich ... na ja ... ich hab mich ausgezogen. Ähm, nicht ganz. Er wollte, dass ich ein paar Sachen anbehalte. Schmuck. Unterwäsche. Am Anfang wenigstens.«
»Was geschah dann?«
»Es war dunkel, man konnte nur Umrisse erkennen. Ich sollte mich aufs Bett legen, und eh ich mich versah, war sie auch dabei.«
»Lucy Payne?«
»Ja.«
»Neben Ihnen beiden im Bett?«
»Ja. Splitterfasernackt.«
»Hat sie bei dem mitgemacht, was sexuell ablief?«
»Und wie. Die wusste ganz genau, was sie tat, oh ja. Richtiges kleines Luder.«
»Sie wurde zu nichts gezwungen, musste nichts Bestimmtes machen?«
»Nein. Ganz und gar nicht. Sie hatte das Sagen. Und sie fand es toll. Sie hat sogar selbst was vorgeschlagen ... Sie wissen schon, was man noch machen könnte. Andere Stellungen.«
»Haben die beiden Ihnen wehgetan?«
»Nicht richtig. Ich meine, sie hatten so ihre Spielchen, aber sie wussten genau, wie weit sie gehen konnten.«
»Was für Spielchen?«
»Er hat gefragt, ob es mir was ausmachen würde, wenn er mich ans Bett fesselt. Er hat versprochen, dass sie mir nicht wehtun
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