Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
zu können?«
Singh öffnete und schloss den Mund wie ein Fisch. Bowmore schaute auf seine Schuhe.
»Nun?«, hakte Banks nach. »Ich höre.«
»Ach, Sir«, sagte Singh. »Es tut mir Leid, aber wir sind noch nicht bis zu ihm gekommen.«
»Haben Sie überhaupt schon mit irgendwelchen Personen von der Liste gesprochen?«
»Mit einigen schon, Sir«, stammelte Singh. »Diejenigen, die Bradford als mögliche Täter angestrichen hatte. Da war einer dabei, der als Exhibi vorbestraft war, aber der hatte ein wasserfestes Alibi für Leanne Wray und Melissa Horrocks. Den haben wir überprüft, Sir.«
»Wenn Sie also nichts Besseres zu tun hatten, haben Sie die Zeit totgeschlagen, indem Sie ein, zwei Namen von der Liste abgehakt haben, nämlich die, die Bradford angestrichen hatte? Ist das richtig?«
»Das ist ungerecht, Sir«, entgegnete Bowmore.
»Ungerecht? Ich sag Ihnen mal, was scheißungerecht ist, Bowmore. Es ist scheißungerecht, dass, soweit wir wissen, mindestens fünf Mädchen durch die Hand von Terence Payne ums Leben kamen. Das ist ungerecht.«
»Aber das hätte er doch nicht zugegeben, Sir«, protestierte Singh.
»Und ich dachte, Sie wären bei der Kripo! Ich will mich mal einfach ausdrücken. Wenn Sie Payne letzten Monat einen Besuch abgestattet hätten, wie angeordnet, dann wären vielleicht ein oder zwei Mädchen weniger gestorben.«
»Das können Sie uns nicht anhängen«, widersprach Bowmore mit rotem Gesicht. »Das ist echt nicht drin.«
»Ach, das ist nicht drin? Und wenn Sie bei der Befragung etwas Verdächtiges gesehen oder gehört hätten? Wenn Ihr erstklassig ausgebildeter kriminalistischer Instinkt etwas gemerkt hätte und Sie Payne gefragt hätten, ob Sie sich mal umsehen dürfen?«
»Aber die Kripo Bradford ...«
»Es ist mir scheißegal, was Bradford gemacht hat! Die haben nur einen einzigen Fall bearbeitet: das Verschwinden von Samantha Foster. Sie hingegen haben in einer Reihe von Entführungen ermittelt. Wenn sich ein Grund ergeben hätte, in den Keller zu gucken, dann hätten Sie ihn gehabt, glauben Sie mir! Selbst wenn Sie nur in seiner Videosammlung herumgestöbert hätten, wären Sie vielleicht misstrauisch geworden. Wenn Sie sich sein Auto angeguckt hätten, wären Ihnen die falschen Kennzeichen aufgefallen. Die er jetzt dranhat, enden nämlich auf NGV, nicht auf KWT. Da hätten bei Ihnen möglicherweise die Alarmglocken geschrillt, meinen Sie nicht"? Stattdessen beschließen Sie in Ihrer Selbstherrlichkeit, dass es mit dieser Aufgabe nicht besonders eilig ist. Möchte mal wissen, was Sie stattdessen für so überaus wichtig gehalten haben. Nun?«
Beide sahen zu Boden.
»Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung vorzubringen?«
»Nichts, Sir«, entgegnete Singh schmallippig.
»Ich gehe sogar zu Ihren Gunsten davon aus, dass Sie mit anderen Sachen beschäftigt waren und sich nicht schlicht und einfach gedrückt haben«, sagte Banks. »Vergeigt haben Sie es trotzdem.«
»Aber er hatte schon die Kripo Bradford angelogen«, argumentierte Bowmore. »Mit uns hätte er dasselbe gemacht.«
»Es will einfach nicht in Ihren Schädel, was?«, blaffte Banks. »Ich hab's jetzt zehnmal erklärt. Sie sind hier bei der Kripo!"Sie nehmen nicht alles für bare Münze! Vielleicht wäre Ihnen an seiner Körpersprache was aufgefallen. Vielleicht hätten Sie ihn bei einer Lüge ertappt. Vielleicht - gottbewahre! - hätten Sie eins seiner Alibis überprüft und gemerkt, dass es nicht stimmt. Oder was anderes hätte Sie ein bisschen misstrauisch gemacht. Drücke ich mich deutlich genug aus? Sie hatten mindestens zwei, vielleicht sogar drei Anhaltspunkte mehr als Bradford, und Sie haben es verbockt! Ich nehme Ihnen diesen Fall ab, Ihnen beiden, und das kommt in Ihre Personalakte! Verstanden?«
Bowmore sah Banks an, als wollte er ihn töten. Singh schien den Tränen nahe, aber im Moment hatte Banks mit keinem von beiden Mitleid. Rasende Kopfschmerzen kündigten sich an. »Machen Sie, dass Sie rauskommen!«, rief er. »Und im Besprechungsraum will ich Sie auch nicht mehr sehen !«
Maggie suchte Zuflucht in Ruths Atelier. Die Frühlingssonne fiel durch das Fenster. Sie öffnete es einen Spaltbreit, um etwas Luft hereinzulassen. Das Atelier im ersten Stock war ein großer Raum nach hinten hinaus, eigentlich das dritte Schlafzimmer. Auch wenn die Aussicht einiges zu wünschen übrig ließ - ein ekliger, verdreckter Gang,
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