Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
konnte niemand etwas anhaben.
Da der Mord an Luke Armitage ein Fall von oberster Priorität war, verhörten Gristhorpe und Constable Winsome Jackman nebenan Ryan Milne. Er war vom College abgeholt worden und genauso wenig entgegenkommend wie Liz.
Annie ging mit Constable Kevin Templeton in Vernehmungszimmer 2, klärte Liz über ihre Rechte auf und stellte die Kassettenrekorder ein. Bisher, erklärte Annie, sei keine Anklage erhoben worden, niemand sei verhaftet worden. Sie wollte einfach eine Erklärung, wie Luke Armitages Umhängetasche in den Dielenschrank gelangt war. Tasche und Inhalt befanden sich bereits im Labor.
»Sie haben mir gesagt, Sie hätten Luke zum letzten Mal ungefähr eine Woche vor seinem Verschwinden bei der Probe im Keller unter der Kirche gesehen, stimmt das?«, begann Annie.
Liz nickte. Schlaff saß sie auf dem Stuhl und knabberte an ihrem Fingernagel herum. Sie wirkte viel jünger als einundzwanzig.
»Hatte er die Umhängetasche dabei?«
»Die hatte er immer dabei.«
»Wie ist sie dann in Ihren Schrank gekommen?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Wie lange hat sie da gelegen?«
»Wohl seit der letzten Probe.«
»War Luke vorher bei Ihnen in der Wohnung?«
»Ja.«
Annie warf Kevin Templeton einen Blick zu und seufzte. »Liz, das Problem ist, dass die Überwachungskameras auf dem Marktplatz Luke kurz vor seinem Verschwinden Montag vor einer Woche aufgenommen haben, und da hatte er die Tasche dabei.«
»Dann muss es eine neue gewesen sein.«
»Nein«, sagte Annie. »Es war dieselbe.« Das wusste sie natürlich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit - vielleicht hatte Luke tatsächlich seine Tasche bei Liz liegen lassen und eine neue gekauft -, aber sie hielt es für unwahrscheinlich, dass Luke all seine Habseligkeiten Liz überließ. Schließlich war nicht die Tasche selbst wichtig, sondern der Inhalt: Lukes Notizbuch, sein Laptop, der tragbare CD-Spieler, Kassetten und CDs.
Liz runzelte die Stirn. »Also, ich verstehe nicht...«
»Ich auch nicht. Es sei denn, Sie sagen uns nicht die Wahrheit.«
»Warum sollte ich lügen?«
»Ach, hören Sie doch auf!«, mischte sich Kevin Templeton ein. »Luke ist tot. Ich würde sagen, das reicht als Grund, oder?«
Liz beugte sich nach vorn. »Ich hab ihn nicht umgebracht. Sie glauben doch nicht etwa, dass ich es gewesen bin!«
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll«, sagte Annie und streckte entschuldigend die Hände aus. »Aber Sie verstehen bestimmt unser Problem. Luke und seine Tasche verschwinden, dann wird Luke tot aufgefunden, und seine Tasche liegt bei Ihnen im Schrank. Ein Riesenzufall, hm?«
»Ich hab's doch schon gesagt, ich weiß nicht, wann er sie da abgelegt hat.«
»Wo waren Sie an dem Nachmittag?«
»An welchem Nachmittag?«
»Am Montag, als Luke verschwand.«
»Weiß nicht. Zu Hause, glaube ich.«
»Und Sie sind überzeugt, dass er nicht vorbeigekommen ist und eventuell seine Tasche vergessen hat?« Bewusst ließ Annie Liz ein Schlupfloch, um sie zum Sprechen zu bewegen.
»Ich hab ihn nicht gesehen.«
»Hatte er einen Schlüssel?«
»Nein.«
»Sie sind also nicht für kurze Zeit aus dem Haus gegangen, und er hat sich selbst reingelassen?«
»Ich wüsste nicht, wie.«
Es führte zu nichts. »Liz, Sie machen es uns nicht gerade einfach. Ich frage Sie noch mal: Wie konnte Lukes Tasche in Ihren Dielenschrank gelangen?«
»Das habe ich schon gesagt: Ich weiß es nicht.«
»Und ich glaube Ihnen nicht.«
»Tja, das ist Ihr Problem.«
»Nein, Liz. Das ist Ihr Problem. Und es wird ein richtig dickes Problem werden, wenn Sie uns nicht bald die Wahrheit sagen.«
»Vielleicht war es ja Ryan«, schlug Kevin Templeton vor.
Liz schaute verdutzt drein. »Ryan? Wie meinen Sie das?«
»Nun«, erklärte Templeton, »dann sag ich Ihnen mal, was meiner Meinung nach passiert ist.« Annie nickte ihm zu. »Ich glaube, Luke ist zu Ihnen gegangen, nachdem er auf dem Marktplatz ...«
»Nein. Das hab ich doch schon gesagt. Er war an dem Tag nicht bei uns.«
»Darf ich bitte ausreden?«
»Aber es stimmt nicht! Sie denken sich das aus.«
»Seien Sie still!«, sagte Annie. »Hören Sie sich an, was Constable Templeton zu sagen hat.«
Liz lehnte sich zurück.
»Meinetwegen.«
»Luke kam vom Marktplatz aus zu Ihnen. Das war am späten Nachmittag.
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