Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
es eilig. Michelle hatte ihm vorgeschlagen, ins Präsidium zu kommen und das Fotoarchiv nach dem Täter des vergangenen Abends zu durchsuchen. Er war nicht sicher, den Mann identifizieren zu können, obwohl die Schweinsäuglein und die Stupsnase durchaus charakteristisch waren. Nun, die Mutter ging vor; also Eier mit Speck. »Wenn es dir keine Mühe macht«, sagte er.
Seine Mutter ging zum Kühlschrank. »Ist keine Mühe.«
»Wo ist Dad?«, fragte Banks.
»Unten im Schrebergarten.«
»Ich wusste gar nicht, dass er den noch hat.«
»Es geht ihm in erster Linie um die Gesellschaft. Herumgraben tut er nicht mehr viel. Meistens sitzt er mit seinen Kumpels herum und schlägt die Zeit tot. Raucht ein, zwei Zigaretten. Er glaubt, ich würde nichts merken, aber ich rieche es, wenn er nach Hause kommt.«
»Ach, schimpf nicht zu sehr mit ihm, Mum.«
»Tu ich nicht. Aber es geht ja nicht nur um seine Gesundheit. Was soll ich denn tun, wenn er einfach tot umfällt?«
»Er fällt nicht einfach tot um.«
»Der Arzt hat gesagt, er darf nicht rauchen. Und du würdest auch besser aufhören, solange du noch jung bist.«
Jung? Es war lange her, dass Banks jung genannt worden war. Oder sich jung gefühlt hatte. Höchstens in der letzten Nacht mit Michelle. Banks hatte gestaunt: Nachdem sie ihren Entschluss gefasst und ihre Zurückhaltung abgelegt hatte, war sie ein anderer Mensch gewesen. Offenbar war sie seit langem mit keinem Mann mehr zusammen gewesen, deshalb liebten sie sich anfangs vorsichtig und zögerlich, was aber kein Nachteil war. Und als Michelle ihre Hemmungen überwunden hatte, war sie liebevoll und einfühlsam geworden. Sie hatte Rücksicht genommen auf Banks' geplatzte Lippe und die geprellten Rippen. Er ärgerte sich, ausgerechnet in der ersten Nacht mit ihr nicht fit zu sein. Körperliche Verletzungen dieser Art kamen bei seiner Arbeit selten vor - es war Ironie des Schicksals, dass Annie und er innerhalb weniger Stunden verletzt worden waren. Da war zweifellos eine böse Macht am Werk.
Banks dachte an Michelles schläfrigen Abschiedskuss an der Tür, an ihren warmen Körper, der sich an ihn gedrückt hatte. Er trank einen Schluck Tee. »Ist die Zeitung da?«, fragte er seine Mutter.
»Hat dein Dad mitgenommen.«
»Dann gehe ich mal kurz zur anderen Straßenseite.« Sein Vater las sowieso die Daily Mail, Banks bevorzugte The Inde-pendent oder The Guardian.
»Deine Eier mit Speck sind gleich fertig.«
»Keine Sorge. Ich bin sofort wieder da.«
Banks' Mutter seufzte. Draußen war es bewölkt, aber warm, es sah wieder nach Regen aus. Banks hasste dieses dumpfe, schwüle Wetter. Als er den Zeitschriftenladen betrat, wusste er plötzlich wieder, wie es dort früher ausgesehen hatte. Der Tresen und die Regale waren umgestellt worden. Damals hatte es auch andere Magazine und Titel gegeben: Film Show, Fabulous, Jackie, Honey, Tit-Bits, Annabelle.
Banks musste an sein Gespräch mit Michelle im Pub denken. Hatte Donald Bradford tatsächlich Pornos verkauft? Banks konnte sich nicht vorstellen, dass Graham eine Fellatio-Zeitschrift zwischen die Seiten von The People schob und in den Briefkasten von Hausnummer 42 warf. Sehr wohl vorstellen konnte er sich aber, dass Bradford unter der Verkaufstheke oder hinten im Lager einen Vorrat bereithielt. Vielleicht hatte Graham das herausgefunden.
Banks konnte sich noch ziemlich gut an seine erste Pornozeitschrift erinnern. Nicht einfach nackte Frauen wie in Playboy, Swank oder May fair, sondern richtiger Hardcore, Bilder von Menschen, die es taten.
Damals hatten sie in ihrem Versteck unter dem Baum gesessen. Interessanterweise gehörten die Zeitschriften Graham. Jedenfalls hatte er sie mitgebracht. Hatte sich Banks damals nie gefragt, wie sie in Grahams Finger gelangt waren? Er wusste es nicht. Falls Graham es erklärt hatte, konnte sich Banks nicht mehr daran erinnern.
Es war warm, und sie waren lediglich zu dritt. Banks wusste nicht mehr genau, ob Dave, Paul oder Steve der Dritte im Bunde gewesen war. Die Zweige und Blätter des Baumes reichten bis zur Erde. Es waren feste, glänzend grüne Blätter mit Dornen. In Gedanken kroch Banks durch den verborgenen Eingang, wo das Laub nicht so dicht war. Die Dornen streiften seine Haut. Im Versteck war viel mehr Platz, als es von außen den Anschein hatte, er war wie in diesem Raumschiff von Dr. Who. Es war innen groß genug, um sich hinzusetzen und
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