Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
letzten Wochen auch durchgemacht. Jetzt hatten sich die Zeitungen auf die Geschichte gestürzt. Das war das Aus für Wells' Antiquariat. Wenn überall zu lesen war, was er sich hatte zuschulden kommen lassen, würde niemand mehr zu ihm in den Keller kommen. Höchstens, um alles kurz und klein zu schlagen. Norman Wells würde ein Ausgestoßener.
»Er kommt schon zurecht«, sagte Annie. »Ich habe noch ein paar Fragen an Sie.«
»Ich weiß nicht, was wir Ihnen noch sagen können«, erwiderte Robin. »Aber bitte, fragen Sie!«
»Zuerst einmal: Haben Sie oder Ihr Mann ein Rezept für Valium oder eine andere Form von Diazepam?«
Robin runzelte die Stirn. »Martin nicht, aber ich. Für die Nerven.«
»Haben in letzter Zeit Tabletten gefehlt?«
»Nein.«
»Würde es Ihnen auffallen?«
»Natürlich.« Robin griff nach ihrer Handtasche auf dem Sofa und holte ein kleines Plastikdöschen hervor. »Hier«, sagte sie. »Sehen Sie? Fast voll. Warum fragen Sie?«
Annie musterte es, dann tunkte sie ein Plätzchen in den Kaffee. Sie aß vorsichtig, um ihre lockeren Zähne zu schonen. Aber verzichten wollte sie nicht - die Plätzchen schmeckten so lecker. Und sie hatte Zeit, sich eine schonende Antwort zurechtzulegen. »Ich frage nur, weil der Pathologe Spuren von Diazepam in Lukes Körper gefunden hat«, sagte sie. »Wir können uns das nicht erklären.«
»Valium? Bei Luke? Das war auf jeden Fall nicht von uns.«
»Ihm selbst ist es doch wohl nicht verschrieben worden, oder?«
Martin und Robin sahen sich stirnrunzelnd an. »Natürlich nicht«, sagte Robin. »Das muss ihm jemand anders gegeben haben.«
»Ist er daran gestorben?«, wollte Martin Armitage wissen.
»Nein«, sagte Annie. »Das ist nur eine weitere Komplikation, die ich gerne klären würde, mehr nicht.«
»Tut mir Leid, dass wir Ihnen nicht helfen können«, sagte Robin.
Auch die Formulierung der nächsten Frage überlegte sich Annie sehr genau. Mit den beiden zu reden, war wie auf rohen Eiern zu laufen. Aber es half ja nichts. »Mrs. Armitage -Robin -, Sie wissen doch, dass Luke Probleme mit seinem leiblichen Vater hatte, oder?«
»Mit Neil? Ja, stimmt ... Aber, ich meine, Luke hat ihn ja gar nicht gekannt.«
»Ihnen ist aber klar, dass Luke sich gefragt hat, was damals passiert ist, warum sein Vater ihn nicht wollte, oder?«
»So war das nicht. Neil kam einfach nicht damit zurecht. Er war selbst wie ein Kind.«
»Und drogenabhängig.«
»Neil war nicht drogenabhängig. Er hat zwar Drogen genommen, aber sie waren nur Mittel zum Zweck für ihn.«
Annie hatte keine Lust zu erklären, dass das fast alle Abhängigen behaupteten. Wenn sie Neil Byrds Künstlergehabe akzeptierte, würde das Gespräch glatter laufen. »Aber Sie wussten, dass Luke nicht in der Lage war, sich Neil Byrds Musik anzuhören, oder?«
»Ich habe ihn nie darum gebeten. Ich höre sie mir selbst auch nicht mehr an.«
»Nun, Luke konnte es einfach nicht«, sagte Annie. »Jede Anspielung auf Neil Byrd und seine Musik machte ihn fertig. Hat er mal von Freunden namens Liz und Ryan erzählt?«
»Mir nicht, nein«, sagte Robin. »Dir, Martin?«
Martin Armitage schüttelte den Kopf.
»Er hat mit ihnen in einer Band gespielt. Wussten Sie das?«
»Nein«, sagte Robin. »Das hat er uns nicht erzählt.«
»Warum hat er Ihnen das wohl verschwiegen?«
Robin sah ihren Mann an. Martin rutschte unruhig in seinem Sessel herum. »Wahrscheinlich weil wir uns schon über einiges gestritten hatten«, sagte er.
»Über was?«
»Ich war der Meinung, dass Luke zu viel Zeit mit Gedichten und Musik verbrachte, er sollte mehr Mannschaftssport treiben, mehr trainieren. Er war schon ganz blass, weil er den ganzen Tag zu Hause herumhockte.«
»Was hat er dazu gesagt?«
Martin warf Robin einen kurzen Blick zu. »Er war sauer. Wir haben uns gestritten. Er meinte, er wüsste selbst gut genug, was er mit seiner Freizeit anfängt.«
»Warum haben Sie mir das alles nicht früher erzählt?«
»Wir fanden es unwichtig. Finden wir jetzt noch.« Martin beugte sich vor und starrte Annie mit seinen durchdringenden Augen an. »Irgendjemand hat Luke entführt und umgebracht, und Sie sitzen hier und stellen Fragen über Neil Byrd und mein Verhältnis zu Luke.«
»Ich glaube, ich kann selbst am besten beurteilen, welche Fragen ich Ihnen stelle, Mr. Armitage«, sagte
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