Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
dazwischengekommen, er solle einsteigen. Deshalb hat Graham die Tasche mit den Zeitungen eingesteckt. Er dachte, er würde seine Runde später abschließen.«
»Was für ein Motiv soll Bradford denn gehabt haben?«
»Da wird es kompliziert, und ihr Chef kommt ins Spiel. Donald Bradford vertrieb Pornozeitschriften und Pornofilme für Carlo Fiorino. Fiorino hatte ein ganzes Netzwerk von Zeitschriftenhändlern, die für ihn arbeiteten. Mich wundert, dass Sie das nicht wussten, wo Sie doch so ein aufmerksamer Polizist waren.«
»Sie können mich mal, Banks.« Mit finsterem Blick schenkte Shaw sich Whisky nach.
»Irgendwie ist Graham in das Geschäft reingerutscht«, fuhr Banks fort. »Vielleicht ist er zufällig auf Bradfords Lagerbestand gestoßen. Keine Ahnung. Aber Graham war ein gerissener Bursche - er ist in der Welt der Krays aufgewachsen, sein Vater hat manchmal für sie die Muskeln spielen lassen -, und Graham hat nur auf seine große Chance gewartet. Vielleicht hat er für Bradford gearbeitet, um sich zusätzliches Geld zu verdienen, schließlich hatte er immer die Taschen voll. Vielleicht hat er Bradford auch erpresst. Auf jeden Fall war er in die Geschäfte verwickelt.«
»Sie haben selbst gesagt, dass Sie keinerlei Beweise dafür haben.«
»Einer der einflussreichsten Kunden von Fiorino, Rupert Mandeville, wurde auf Graham aufmerksam«, erklärte Banks. »Graham hat für Nacktfotos posiert. Ich habe eins in seinem Zimmer gefunden. Ob er noch weitergegangen ist, kann ich nicht sagen, aber er ist in dem Haus von Mandeville gewesen, und wir wissen schließlich, was da ablief. Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen, Drogenmissbrauch, alles Mögliche. Eine genauere Untersuchung wäre das Ende für Mandeville gewesen. Er war ein wichtiger Mann mit politischen Ambitionen. Ich nehme an, Graham hat mehr Geld verlangt und gedroht, zur Polizei zu gehen. Mandeville bekam Panik, schließlich war kurz zuvor Geoff Talbot bei ihm aufgetaucht und hatte Gäste abgeführt. Mandeville bat Fiorino, die Angelegenheit zu regeln, und Jet Harris ließ die Mordermittlung im Sande verlaufen. Und Sie wussten Bescheid, Sie wussten, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war, deshalb haben Sie versucht, die Spuren zu verwischen, um Harris' Ruf zu schützen. Und? Wie mache ich mich?«
»Sie verwickeln sich in Widersprüche, Banks. Wenn wir sowieso alle so korrupt waren, wie Sie behaupten, was hätte es dann geändert, wenn der Junge zur Polizei gegangen wäre? Warum hätte Bradford das Kind umbringen sollen, wenn er doch der Meinung war, wir würden uns der Sache annehmen?«
Banks schaute Michelle an, bevor er weitersprach. »Darüber hab ich mir auch lange den Kopf zerbrochen«, sagte er. »Ich kann nur annehmen, dass Graham wusste, mit welchem Polizist er nicht reden musste.«
»Was meinen Sie damit?«
»Graham war in Mandevilles Haus gewesen, das steht fest. Und wenn er da nun jemanden gesehen hätte? Der eigentlich nicht hätte da sein dürfen, zum Beispiel ein bestimmter Detective Superintendent?«
»Das ist lächerlich. So was hat John nicht gemacht.«
»Was hat er nicht gemacht? Mandevilles Partys bedienten jeden Geschmack. Nach Aussage seiner Frau war John Harris homosexuell. Wir wissen nicht, ob Mandeville oder Fiorino das herausgefunden und ihn erpresst haben oder ob sie ihm sogar geholfen haben. Vielleicht war das ihre Gegenleistung. Sie mussten ihn mit kleinen Jungen versorgen. Oder mit Drogen. Ist eigentlich egal. Wichtig ist, dass Graham Harris in dem Haus gesehen hat oder wusste, dass Harris gelegentlich mitfeierte. Dann hat er Bradford gedroht, er würde mit seiner Geschichte zur Polizei gehen.«
Shaw war blass geworden. »John? Homosexuell? Das glaube ich nicht.«
»Einer meiner alten Schulfreunde ist schwul«, sagte Banks. »Und ich hab es nicht gewusst. John Harris hatte zwei verdammt gute Gründe, es geheim zu halten. Erstens war Homosexualität bis 1967 verboten, zweitens war er Bulle. Sie wissen, wie schwer das Coming-out selbst heute noch für einen Polizisten ist. Wir sind so harte Kerle, dass wir einen Riesenschiss vor Schwulen haben.«
»Schwachsinn. Das ist alles reine Spekulation.«
»Nicht das, was John Harris angeht«, widersprach Michelle. »Das hat mir seine Exfrau erzählt.«
»Dann lügt sie halt, die dumme Kuh. Bei allem Respekt.«
»Warum sollte sie lügen?«
»Sie hat John gehasst.«
»Hört sich
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