Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
nicht, wie wichtig das ist? Wenn sie ihn gesehen hat, könnte er ihr etwas anvertraut haben. Dann könnte Lauren eine Ahnung haben, wo er hinwollte, wen er treffen wollte.«
»Tut mir Leid. Ich kann Ihnen nicht helfen. Lauren war die ganze Nacht hier.«
Annie seufzte. »Na, gut. Noch eine Frage, bevor ich Sie in Ruhe lasse.«
»Was denn?«
»Ich habe gehört, Sie sind vorbestraft.«
Vernon lief rot an. »Ich hab schon darauf gewartet, dass Sie damit anfangen. Hören Sie, das ist lange her. Ich habe die Unterschrift meines Chefs auf einem Scheck gefälscht. Bin ich nicht stolz drauf. War eine große Dummheit, ja, aber ich wusste nicht mehr ein noch aus. Hab teuer dafür bezahlt.«
»Na, dann ist es ja gut », sagte Annie. Was Menschen alles machten, wenn sie nicht mehr ein noch aus wussten. »Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, Mr. Anderson.«
Vernon erwiderte nichts und schlug die Tür hinter Annie zu. Schon vorher hatte Annie auf der Hauptstraße einen Buchmacher entdeckt, direkt um die Ecke. Sie sah auf die Uhr.
Es reichte noch für einen kurzen Besuch. Ihrer Erfahrung nach waren die Läden von Buchmachern immer verraucht. Sie atmete tief durch und ging hinein.
Wenn das Böse so aussah, dann war es erschreckend nichtssagend, dachte Banks, als ein junger Mann, der eher wie ein Sachbearbeiter denn wie ein Butler aussah, ihn und Michelle zu Rupert Mandeville führte. Mandeville erinnerte Banks an den ehemaligen Premierminister Edward Heath, der 1965 Oppositionsführer war. Sportlich gekleidet in einer weißen Crickethose, einem offenen cremefarbenen Hemd und einem malvenfarbenen Pullover mit V-Ausschnitt, wirkte er genauso verdutzt und leicht neben sich stehend wie Heath, dazu das silberne Haar und die rosige Haut. Woran lag es, dass alle Politiker eine Haut wie aus rosa Vinyl hatten? Kamen die so auf die Welt?
Das Schaffell war verschwunden, ersetzt von einem Teppich mit kompliziertem orientalischem Muster, aber der Kamin war derselbe wie auf Grahams Foto. In dem Zimmer zu sein, wo vor vielen Jahren die Aufnahme gemacht worden war, ließ Banks erschaudern. Was war hier sonst noch passiert? Hatte Graham auch an Liebesspielen teilgenommen? Womöglich mit Mandeville? Banks würde es wohl nie erfahren. Die Vergangenheit nach so langer Zeit zu rekonstruieren, war genauso unzuverlässig wie die Erinnerung selbst.
Immerhin hatten sie inzwischen in Erfahrung gebracht, wie Mandeville sich über Michelles Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten hatte, auch wenn sie es nicht beweisen konnten. Der Lokalreporter, den Michelle vom Revier aus angerufen hatte, hatte ihr gesagt, Mandeville hätte überall seine Spitzel; nur so hätte er sich in der skrupellosen Welt der Politik halten können. Außerdem munkelte man, er hätte gute Kontakte zur Polizei. Es fielen jedoch keine Namen.
Mandeville war die Höflichkeit in Person. Er zog einen Stuhl für Michelle heran und bot Erfrischungen an, aber die beiden lehnten ab. »Es ist viele Jahre her, dass mir die Polizei einen Besuch abgestattet hat«, sagte er. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Meinen Sie damit den Besuch von Geoff Talbot?«, fragte Michelle. Es war ihr Fall; Banks war nur zugegen, weil sie ihn eingeladen hatte. Daher stellte sie die Fragen.
»Ich muss sagen, ich kenne keinen Mann dieses Namens.«
»Sie sollten sich wenigstens an Monat und Jahr erinnern: August 1965.«
»Das ist lange her. Wie die Zeit vergeht!«
»Und an den Grund des Besuchs.«
»Es war ein Irrtum. Man hat sich offiziell bei mir entschuldigt. Ich habe die Entschuldigung angenommen.«
»War das Detective Superintendent Harris?«
»Ich muss leider gestehen, dass ich mich an den Namen der Person nicht erinnern kann.«
»Sie können mir glauben.«
»Sehr schön. Hören Sie, Ihre Stimme verrät eine gewisse Feindseligkeit. Würden Sie mir bitte verraten, was Sie zu mir führt, oder mein Haus verlassen?«
»Wir sind hier, um Ihnen Fragen im Zusammenhang mit der Ermittlung im Fall Graham Marshall zu stellen.«
»Ah ja. Der arme Junge, dessen Skelett vor einigen Tagen gefunden wurde. Tragisch. Aber ich verstehe nicht, was das mit mir zu tun hat.«
»Wir haben nur noch ein paar offene Fragen, mehr nicht.«
»Ich bin eine offene Frage. Wie aufregend!« Die graugrünen Augen blitzten spöttisch.
Banks holte Grahams Foto aus der Brieftasche und schob es über den Tisch
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