Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
Stimmt etwas nicht?«
»Immer mit der Ruhe, Mrs. Armitage«, sagte Annie. »Es ist nichts passiert. Ich wollte nur nachschauen, ob es Ihnen gut geht.«
»Ob es mir gut geht? Natürlich. Warum auch nicht? Luke kommt bald zurück.«
»Darf ich mich hinsetzen?«
»Bitte!«
Annie nahm Platz, aber Robin Armitage blieb stehen, lief auf und ab. »Ich dachte, Sie wären erleichtert«, sagte Annie.
»Bin ich auch«, erwiderte Robin. »Natürlich. Bloß ... na ja, es wird mir noch besser gehen, wenn Luke wieder zu Hause ist. Das können Sie bestimmt verstehen.«
»Haben Sie noch mal von ihm gehört?«
»Nein. Nur das eine Mal.«
»Und er hat eindeutig gesagt, er würde heute nach Hause kommen?«
»Ja.«
»Ich würde mich gerne mit ihm unterhalten, wenn er wieder zurück ist. Aber nur, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Natürlich nicht. Aber warum?«
»Wir behalten solche Geschichten gerne im Auge. Reine Routine.«
Robin verschränkte die Arme und gab Annie deutlich zu verstehen, dass sie gehen sollte. »Ich sage Ihnen sofort Bescheid, wenn er wieder da ist.«
Annie blieb sitzen. »Mrs. Armitage, Sie haben mir gestern gesagt, Luke hätte gesagt, er bräuchte seine Freiheit. Wissen Sie, was er damit gemeint hat?«
»Was?«
»Sie haben mir erzählt, er sei ein ganz normaler Junge, es gäbe keine Probleme innerhalb der Familie, warum also sollte er einfach abhauen und Sie beide halb zu Tode ängstigen?«
»Ich glaube kaum, dass das jetzt noch wichtig ist, Detective Inspector Cabbot, oder?« Martin Armitage stand, einen Aktenkoffer in der Hand, in der Tür. Annie drehte sich zu ihm um. »Was wollen Sie hier? Worum geht's?« Obwohl Armitage so bestimmt auftrat, wirkte er genauso nervös wie seine Frau. Ungeduldig verlagerte er das Gewicht von einem Bein aufs andere, als müsse er dringend zur Toilette.
»Nichts«, sagte sie. »Ist nur ein nett gemeinter Besuch.«
»Verstehe. Also, vielen Dank für Ihre Mühe und Ihre Sorge. Wir wissen das wirklich zu schätzen, aber ich sehe jetzt keinen Sinn mehr darin, dass Sie hier aufkreuzen und uns mit Fragen belästigen, wo Luke nun in Sicherheit ist. Sie etwa?«
Eine interessante Wortwahl, dachte Annie: mit Fragen belästigen. Die meisten Eltern würden das anders sehen, wenn ihr Sohn verschwunden wäre.
Martin Armitage sah auf die Uhr. »Egal, ich muss jetzt leider zu einem Geschäftstermin. War schön, Sie wiederzusehen, Inspector Cabbot, und noch mal vielen Dank.«
»Ja, vielen Dank«, wiederholte Robin.
Entlassen. Annie wusste, wann sie zu gehen hatte. »Ich wollte gerade los«, sagte sie. »Ich wollte nur nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Ich hatte nicht vor, Sie zu belästigen.«
»Nun, wie Sie sehen«, erwiderte Martin, »ist alles in Ordnung. Luke kommt heute Abend zurück, dann ist alles, als ob nie etwas passiert wäre.«
Annie lächelte. »Na, dann seien Sie mal nicht zu streng mit ihm.«
Martin rang sich ein Schmunzeln ab, doch seine Augen blieben kalt. »Ich war auch mal jung. Ich weiß, wie das ist.«
»Ach, eine Sache wäre da noch.« Auf der Schwelle blieb Annie stehen.
»Ja?«
»Sie haben gesagt, Luke hätte gestern Abend angerufen.«
»Genau. Und direkt danach hat sich meine Frau bei Ihnen gemeldet.«
Annie warf Robin einen Blick zu. »Ja, das hat mich gefreut«, sagte sie. »Aber ich verstehe nicht, warum Lukes Anruf nicht abgefangen wurde. Schließlich hatte der Techniker alles so weit eingerichtet, und der Anruf Ihrer Frau bei mir ist aufgezeichnet worden.«
»Ganz einfach«, sagte Martin. »Luke hat mich auf dem Handy angerufen.«
»War das normal?«
»Wir wollten eigentlich essen gehen«, erklärte Martin. »Wir haben natürlich abgesagt, aber das konnte Luke ja nicht wissen.«
»Ah, verstehe«, sagte Annie. »Wäre das auch geklärt. Auf Wiedersehen.«
Geistesabwesend verabschiedeten sich die beiden von Annie. Sie ging zum Auto. Am Ende der Auffahrt bog sie nach rechts ab Richtung Relton und parkte direkt um die Ecke in einer Bucht, holte ihr Handy heraus und stellte fest, dass es tatsächlich Empfang hatte. Martin Armitage hatte also nicht gelogen. Wieso hatte sie dann das untrügliche Gefühl, dass etwas nicht stimmte?
Eine Weile saß Annie im Auto und versuchte zu ergründen, was die Anspannung im Zimmer zu bedeuten hatte. Irgendetwas war da im Gange; Annie hätte es zu gern
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