Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
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Bei dem großen Hallo achtete niemand darauf, dass Joey, Banks' Wellensittich, nicht im Käfig war, sondern seinen abendlichen Ausflug machte. Als Arthur Banks zur Haustür ging, um den beiden Polizeibeamten zu öffnen, schloss er die Wohnzimmertür nicht hinter sich. Joey nutzte die Gunst des Augenblicks und flog davon. Er glaubte bestimmt, vor ihm läge der freie, weite Himmel, aber Banks wusste schon damals, dass ein so hübscher bunter Vogel keinen Tag zwischen den Raubtieren draußen überleben würde. Als sie merkten, was passiert war, stürzten sie in den Garten, um den Wellensittich zu suchen, aber er war spurlos verschwunden. Joey war fort und kam nie mehr zurück.
Um Joeys Flucht wäre mehr Aufhebens gemacht worden, hätte der Besuch nicht sofort im Zentrum der Aufmerksamkeit gestanden. Es waren die ersten Polizeibeamten in Zivil, die je das Haus der Banks betreten hatten, und selbst der kleine Alan vergaß seinen Joey einen Moment lang. Im Rückblick kam es Banks wie ein böses Omen vor, aber damals hatte er dem Vorfall keine symbolische Bedeutung zugeschrieben. Er hatte einfach ein Haustier verloren.
Beide Männer trugen Anzug und Krawatte, aber keinen Hut. Der eine, der das Reden übernahm, war ungefähr so alt wie Banks' Vater, hatte zurückgekämmtes dunkles Haar und eine lange Nase. Er wirkte gutmütig und zwinkerte gelegentlich, so wie ein netter Onkel, der einem blinzelnd ein paar Schilling zusteckt, damit man ins Kino gehen kann. Der zweite Polizist war jünger und unauffälliger. Banks konnte sich kaum an ihn erinnern, wusste nur noch, dass er goldblondes Haar, Sommersprossen und abstehende Ohren gehabt hatte. Die Namen fielen Banks nicht mehr ein, vielleicht hatte er sie nie gehört.
Banks' Vater schaltete den Fernseher aus. Der neunjährige Roy saß da und glotzte die Männer an. Keiner der Kripobeamten entschuldigte sich, die Familie gestört zu haben. Die beiden Männer nahmen Platz, lehnten sich aber nicht zurück, sondern blieben mit geradem Rücken auf der Kante sitzen. Der nette Onkel stellte die Fragen, und der andere schrieb mit. An den genauen Wortlaut konnte sich Banks nach so vielen Jahren nicht mehr erinnern, aber es musste ungefähr so gelaufen sein:
»Du weißt, warum wir hier sind, oder?«
»Wahrscheinlich wegen Graham.«
»Stimmt. Du bist sein Freund, richtig?«
»Ja.«
»Hast du eine Idee, wo er sein könnte?«
»Nein.«
»Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?«
»Samstagnachmittag.«
»Hat er irgendwas Ungewöhnliches gesagt oder getan?«
»Nein.«
»Was habt ihr gemacht?«
»Wir waren in der Stadt.«
»Was habt ihr da gemacht?«
»Nur ein paar Schallplatten gekauft.«
»Was für eine Laune hatte Graham?«
»Wie immer.«
»War er irgendwie bedrückt?«
»Nein, eigentlich war er ganz normal.«
»Hat er je davon gesprochen, von zu Hause fortzulaufen?«
»Nein.«
»Hast du eine Idee, wo er hingehen würde, wenn er weglaufen würde? Hat er mal irgendwas erzählt?«
»Nein. Aber er kam aus London. Ich meine, er ist letztes Jahr mit seinen Eltern von London hier hochgezogen.«
»Das wissen wir. Wir wollten nur wissen, ob es noch andere Orte gab, von denen er gesprochen hat.«
»Glaub nicht.«
»Und was ist mit Geheimverstecken?« Der Kripobeamte zwinkerte Banks zu. »So was haben doch alle Jungs.«
»Nein.« Banks wollte nichts von dem großen Baum mit den stacheligen Blättern und den bis zum Boden reichenden Ästen im Park verraten - er meinte, es wäre eine Stechpalme. Wenn man sich durch das dichte Laub gekämpft hatte, saß man im Innern wie in einem Tipi. Banks wusste, dass Graham verschwunden war und der Baum wichtig sein konnte, aber er wollte sein Geheimnis nicht verraten. Später würde er nachsehen, ob Graham unter dem Baum war.
»Hatte Graham Probleme? Machte ihm irgendwas Sorgen?«
»Nein.«
»Die Schule?«
»Wir haben Ferien.«
»Weiß ich, ich meinte im Allgemeinen. Für ihn war die Schule doch neu. Er ist erst seit einem Jahr da. Hat er Ärger mit anderen Jungs?«
»Nee, eigentlich nicht. Er hat sich mit Mick Slack geprügelt, aber der versucht es bei jedem. Der fängt immer Streit an mit Neuen.«
»Ist das alles?«
»Ja.«
»Hast du in letzter Zeit irgendwelche Unbekannten in der Gegend gesehen?«
»Nein.« Wahrscheinlich war Banks bei der Lüge rot
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