Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
damals sein ganzer Stolz. Vielleicht würde es sogar wieder laufen, wenn er neue Batterien einlegte.
Der dritte Karton war voll mit alten Zeugnissen, Zeitschriften, Briefen und Übungsheften. In den vergangenen Jahren hatte Banks sich manchmal gefragt, was aus all diesen Dingen geworden war. Er war davon ausgegangen, dass seine Eltern den Kram weggeworfen hatten, weil er ihn ihrer Meinung nach nicht mehr brauchte. Pustekuchen. Die ganze Zeit hatten die Schätze hier im Schrank gelegen. Da waren sie alle: Beatles Monthly, Fabulous, Record Song Book und The Radio Luxemburg Book of Record Stars.
Banks griff mehrere kleine Hefte heraus und stellte überrascht fest, dass es seine alten Tagebücher waren. Es waren schlichte Tagebücher von Letts mit einem Hohlraum für den Bleistift im Rücken, andere waren mit Bildern aus den Bereichen Pop, Fernsehen oder Sport illustriert. Das Tagebuch, das ihn im Moment am brennendsten interessierte, war von Photoplay und hatte einen festen, laminierten Einband mit einem farbigen Szenenfoto von Sean Connery und Honor Blackman aus dem Bond-Film Goldfinger von 1964. Auf jeder Seite war ein anderer Filmstar abgebildet. Den Anfang machte Brigitte Bardot in der Woche von Sonntag, dem 27. Dezember 1964, die erste Woche im Tagebuch von 1965, dem Jahr, als Graham verschwand.
Michelle nahm die Lesebrille ab und rieb sich den Nasenrücken. Zwischen den Augen kündigten sich Kopfschmerzen an. Im Moment hatte sie ständig Kopfschmerzen, und obwohl ihre Ärztin versichert hatte, es sei alles in Ordnung - kein Gehirntumor, keine neurologische Krankheit -, und ihr Psychiater der Meinung war, die Beschwerden kämen wahrscheinlich vom Stress und von der Verarbeitung ihrer Probleme, machte Michelle sich Sorgen.
Die Luft im Archiv war auch nicht gerade förderlich. Michelle war zu dem Schluss gekommen, sie könne das Material genauso gut im Keller durchsehen, anstatt die schweren Kisten in eine Liste einzutragen und nach oben ins Büro zu schleppen. Der Leseraum war eine verglaste Nische mit Schreibtisch und Stuhl. Von dort gingen parallele, mit alten Akten vollgestopfte Gänge ab, einige Schriftstücke datierten zurück bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Wenn es etwas gemütlicher gewesen wäre, hätte Michelle vielleicht in Erwägung gezogen, ein wenig in den alten Ordnern herumzublättern. Hier waren bestimmt interessante Sachen verborgen.
Fürs Erste musste sie mit 1965 vorlieb nehmen. Michelle wollte sich ein Bild von den Delikten aus der Zeit vor und nach Grahams Verschwinden machen, um herauszufinden, ob es Hinweise auf Banks' geheimnisvollen Fremden gab. Mrs. Metcalfe hatte Michelle die Dienstbücher gezeigt, in denen Tag für Tag sämtliche Anrufe und daraufhin eingeleitete Einsätze verzeichnet und protokolliert waren. Es war eine fesselnde Lektüre, auch wenn das meiste keine Bedeutung für Michelles Fall hatte. Viele der Anrufe - vermisste Haustiere, Familienstreitigkeiten - wurden nicht weiterverfolgt, aber die Listen vermittelten einen guten Eindruck, wie der Alltag eines Polizisten 1965 ausgesehen hatte.
Im Mai war beispielsweise ein Mann wegen eines Sittlichkeitsverbrechens festgenommen worden. Er hatte eine Vierzehnjährige in die Nähe der A1 verschleppt, besaß jedoch nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Mann am Fluss, den Banks beschrieben hatte. Des Weiteren war im Mai ein großer Juwelier im Stadtzentrum überfallen worden, die Diebe hatten Schmuck im Wert von 18 000 Pfund erbeutet. Im Juni hatte eine Bande von Jugendlichen ihr Unwesen getrieben und die Reifen von rund dreißig Autos im Stadtzentrum zerstochen. Ebenfalls im Juni war vor dem Rose and Crown auf der Bridge Street ein Zwanzigjähriger bei einer Auseinandersetzung um eine Frau erstochen worden. Im August waren zwei angeblich homosexuelle Männer wegen unzüchtiger Handlungen im Landhaus eines ortsansässigen Politikers, Rupert Mande-ville, verhört worden, aber der anonyme Anrufer konnte nicht ausfindig gemacht werden. Die Anklage wurde später mangels Beweisen fallen gelassen. Schwer zu glauben, dass Schwulsein damals verboten war, aber in der Hinsicht war 1965 das reine Mittelalter; erst 1967 hatte man Homosexualität legalisiert.
Sowohl vor als auch nach Graham Marshalls Verschwinden war so einiges in Peterborough passiert, aber nichts schien auch nur entfernt mit Banks' Abenteuer am Flussufer zu tun zu haben. Michelle las weiter. Im Juli war die Polizei Hinweisen
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