Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
bin ich aber neugierig.«
»Bisher nichts, Sir. Können Sie sich an so etwas erinnern?«
Shaw runzelte die Stirn. »Nein. Aber wer ist dieser Freund?«
»Er heißt Banks, Alan Banks. Oder genauer gesagt: Detective Chief Inspector Banks.«
»Ach, tatsächlich? Banks? Der Name kommt mir bekannt vor. Ich nehme an, er hat den Vorfall damals nicht gemeldet.«
»Nein, Sir. Hatte zu viel Angst vor seinen Eltern.«
»Kann ich mir vorstellen. Hören Sie, dieser Banks«, sagte Shaw. »Mit dem würde ich gern ein Wörtchen reden. Können Sie das in die Wege leiten?«
»Ich hab seine Telefonnummer. Aber ...« Michelle wollte Shaw gerade erklären, dass es ihr Fall sei und sie es nicht guthieß, wenn er sich in ihre Zeugenbefragungen mischte, aber dann dachte sie, es wäre nicht sehr diplomatisch, einen ihrer Vorgesetzten gleich zu Beginn ihrer Arbeit in Peterborough vor den Kopf zu stoßen. Außerdem konnte Shaw ihr vielleicht helfen, er war ja selbst an den ursprünglichen Ermittlungen beteiligt gewesen.
»Aber was?«
»Nichts.«
»Gut.« Shaw erhob sich. »Bestellen Sie ihn her. So schnell wie möglich.«
»Es kommt Ihnen nach so langer Zeit bestimmt seltsam vor«, sagte Banks, »aber ich bin Alan Banks und wollte Ihnen mein Beileid aussprechen.«
»Alan Banks. Nein, so was!« Augenblicklich verwandelte sich Mrs. Marshalls argwöhnischer Gesichtsausdruck in Freude. Sie riss die Tür auf. »Komm rein und mach es dir gemütlich !«
Seit Banks' letztem Besuch bei den Marshalls waren mehr als sechsunddreißig Jahre vergangen, und er meinte sich vage zu erinnern, dass die Möbel damals aus dunklerem Holz gewesen waren, schwerer und robuster. Das neue Sideboard und der Fernsehschrank waren aus Kiefer. Die dreiteilige Couchgarnitur war viel wuchtiger, und ein gewaltiger Fernseher dominierte eine Ecke des Zimmers.
Auch damals war Banks nicht oft bei Graham zu Hause gewesen. Bei manchen Eltern war das Haus immer offen für die Freunde der Kinder, zum Beispiel bei den Banks und bei Dave und Paul, aber die Marshalls lebten immer ein wenig zurückgezogen, distanziert. Graham erzählte nie viel von seinen Eltern, aber das war Banks damals nicht ungewöhnlich vorgekommen. Kinder reden nicht viel über ihre Familie, sie beschweren sich höchstens, wenn sie irgendetwas nicht dürfen oder aber das Taschengeld gestrichen wird, weil sie bei etwas Verbotenem ertappt wurden. Soweit Banks wusste, war das Familienleben bei den Marshalls genau wie bei ihm zu Hause.
Banks' Mutter hatte erzählt, der alte Marshall habe einen Schlaganfall gehabt und sei jetzt behindert, daher war Banks auf die zerbrechliche, sabbernde Gestalt vorbereitet, die ihn aus dem Sessel heraus anstarrte. Mrs. Marshall wirkte müde und erschöpft, kaum verwunderlich. Und er fragte sich, wie sie das Haus dabei so picobello halten konnte. Vielleicht wurde sie vom Sozialamt unterstützt, eine Haushaltshilfe konnte sie sich bestimmt nicht leisten.
»Sieh mal, Bill, das ist Alan Banks«, sagte Mrs. Marshall. »Ein alter Freund von unserem Graham.«
Mr. Marshalls Gesicht war durch die Lähmung verzerrt, daher war seine Miene nur schwer zu deuten, doch schien sich sein Blick leicht zu entspannen, als er den Besucher erkannte. Banks grüßte und nahm Platz. Er entdeckte das alte Foto von Graham, das sein Vater mit der Brownie an der Promenade von Blackpool aufgenommen hatte. Von Banks hatte er auch eines gemacht, ebenfalls im schwarzen Rollkragenpullover, aber ohne Pilzkopf.
Mr. Marshall saß auf demselben Platz wie früher. Damals hatte der alte Marshall immer eine Zigarette im Mund gehabt, jetzt sah er aus, als könne er sie kaum noch an die Lippen führen.
»Ich hab gehört, dass du jetzt ein wichtiger Mann bei der Polizei bist«, sagte Mrs. Marshll.
»Wichtig weiß ich nicht, aber bei der Polizei bin ich, das stimmt.«
»Warum so bescheiden? Hin und wieder treff ich deine Mutter beim Einkaufen, sie ist so stolz auf dich.«
Das hat sie mir noch nie gesagt, dachte Banks. »Tja«, sagte er, »Sie wissen ja, wie Mütter so sind.«
»Bist du hier, um bei der Ermittlung zu helfen?«
»Ich wüsste nicht, wie«, entgegnete Banks. »Aber wenn ich irgendwie helfen kann, tu ich das natürlich gerne.«
»Sie macht einen netten Eindruck, die Frau, die uns besucht hat.«
»Sie macht ihre Arbeit bestimmt sehr gut.«
»Ich hab ihr gesagt, dass ich mich frage, was sie
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