Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
Luxemburg gehört oder im Schein seiner Taschenlampe gelesen hatte. Das einzig Neue war die Tapete. Die Rennwagen aus seiner Jugend waren verschwunden, die neue Tapete war rosa-grün gestreift. Eine Weile blieb Banks in der Tür stehen, ließ sich zurücktragen, stellte sich dem Gefühl am Rand seines Unterbewusstseins. Es war keine Nostalgie, es war nicht das Gefühl von Verlust, sondern eine Mischung aus beiden.
Der Ausblick hatte sich nicht verändert. Banks' Zimmer lag neben Toilette und Badezimmer und ging nach hinten hinaus, man schaute auf Hinterhöfe und einen schmalen Gang, ungefähr hundert Meter freies Feld und die angrenzende Häuserzeile. Auf dem Feld ließen die Leute ihre Hunde laufen, und manchmal trafen sich dort abends die Jugendlichen.
Auch er hatte das getan, erinnerte sich Banks, er hatte sich mit Dave, Paul, Steve und Graham getroffen, sie hatten sich Woodbines oder Park Drives geteilt, oder, wenn Graham gut bei Kasse war, die langen amerikanischen Zigaretten mit Filter, Peter Stuyvesant oder Pall Mall. Später, lange nach Grahams Verschwinden, war Banks manchmal mit Freundinnen hingegangen. Das Feld war nicht rechtwinklig; auf der gegenüberliegenden Seite befand sich eine kleine Ausbuchtung, in der man vor neugierigen Blicken aus den Häusern sicher war, wenn man sich geschickt anstellte. Noch gut konnte sich Banks an das Herumgeknutsche am rostigen Wellblechzaun und an seine wunden Lippen erinnern, an die verzweifelten Kämpfe mit BH-Verschlüssen, Sicherheitsnadeln und anderen Vorrichtungen, mit denen sich die Mädchen damals dummerweise verschnürten.
Banks ließ die Reisetasche auf das Fußende des Bettes fallen und streckte sich. Die Fahrt war lang gewesen, und das Gespräch im Pub, das Pint mit Michelle Hart hatten ihn noch müder gemacht. Er überlegte, ob er vor dem Abendessen ein kurzes Nickerchen einlegen sollte, fand es dann aber unhöflich; er war so lange nicht bei seinen Eltern gewesen, da ging er jetzt besser nach unten und unterhielt sich mit ihnen.
Als Erstes hängte er seine Hemden in den Kleiderschrank, damit sie nicht zerknitterten. Die anderen Kleidungsstücke im Schrank kannte Banks nicht, aber dann entdeckte er Pappkartons auf dem Schrankboden. Er zog einen hervor, schaute hinein und war baff: Das waren seine alten Schallplatten -Singles, denn mehr hatte er sich damals nicht leisten können. Singles kosteten 6/4 und eine LP 32/6. Sicher, er hatte LPs zu Weihnachten und zum Geburtstag geschenkt bekommen, oft über Schallplatten-Sammelmarken, aber die waren fast ausschließlich von den Beatles und Rolling Stones und die hatte er mit nach London genommen.
Diese Platten waren der Beginn seiner musikalischen Bewusstseinswerdung. Nach dem Umzug hatte er bald Gefallen an Cream, Jimi Hendrix und Jefferson Airplane gefunden, später hatte er den Jazz entdeckt und noch später die Klassik, aber das hier ... Banks griff in den Karton und zog eine Hand voll Platten heraus. Da waren sie in all ihrer Herrlichkeit: »Goin' Back« von Dusty Springfield, »The Rise & Fall of Flingel Bunt« von The Shadows, Cilla Blacks Hits »Anyone Who Had a Heart« und »Alfie«, dann »Nut Rocker« von B. Bum-ble and the Stingers, »Always Something There to Remind Me« von Sandie Shaw sowie »House of the Rising Sun« von den Animals und »As Tears Go By« von Marianne Faithfull. Es waren noch viel mehr Scheiben, manche hatte er längst vergessen, einige waren von wirklich obskuren Sängern wie Rai Donner oder Kenny Lynch, dazu Coverversionen der großen Hits von Del Shannon und Roy Orbison, die namenlose Musiker für Woolworths Billiglabel Embassy aufgenommen hatten. Eine Schatztruhe der Nostalgie! Die Musik, die er zwischen elf und sechzehn gehört hatte. Seinen alten Plattenspieler gab es schon lange nicht mehr, aber seine Eltern hatten unten eine Stereoanlage, da könnte er sich vielleicht ein Paar Scheiben anhören.
Fürs Erste schob er die Kiste zurück und zog eine andere hervor. Sie enthielt altes Spielzeug: Modellflugzeuge - Spit-fires, Wellingtons, Junkers und eine Messerschmitt mit gebrochener Tragfläche -, einige Spielzeugautos, eine mit Pfeilen ladbare Pistole und einen kleinen aufziehbaren Dalek, der wie ein alter Mülleimer aussah und »Ex-ter-min-ate! Ex-ter-min-ate!« schnarrte. Banks fand noch ein paar alte Jahrbücher - Simon Templar, Geheimauftrag für ]ohn Blake und Solo für O. N. C. E. L. -, dazu das taschengroße Transistorradio von Philips,
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