Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
online eingekauft, hauptsächlich CDs, was man von jemandem, der so weit abseits wohnte, ebenfalls erwarten konnte.
Banks staunte über die Bandbreite von Lukes Musikgeschmack. Er hatte natürlich die üblichen CDs, von denen Annie schon erzählt hatte, aber zwischen all dem Grunge, Metal, Hip-Hop und Gothic stieß Banks auch auf Kurioses wie beispielsweise Brittens Vertonung von Rimbauds Les Illu-minations und In a Silent Way von Miles Davis. Außerdem besaß Luke verschiedene Indie-CDs, darunter, wie Banks erfreut feststellte, die erste Platte seines Sohns Brian, Blue Rain. Keine gängige Kost für einen Fünfzehnjährigen. Aber langsam kam Banks zu dem Schluss, dass Luke Armitage alles andere als ein typischer Fünfzehnjähriger gewesen war.
Banks hatte einige der Erzählungen und Gedichte gelesen, die Annie von ihrem letzten Besuch mitgebracht hatte. Nach Banks unmaßgeblicher Meinung waren sie vielversprechend. Sie verrieten nichts darüber, was Luke zugestoßen sein mochte oder was er hinsichtlich seines Vaters und Stiefvaters empfand, aber sie zeugten von einem jungen Geist, der sich mit Tod, Krieg, Umweltzerstörung und Entfremdung beschäftigte.
Im Gegensatz zu Annie wunderte Banks sich nicht über die Gestaltung des Zimmers. Brian hatte sein Zimmer damals zwar nicht schwarz gestrichen, aber auch Poster aufgehängt und sich mit seiner Lieblingsmusik umgeben. Und natürlich die Gitarre, immer die Gitarre. Annie hatte keine Kinder, und Banks konnte sich vorstellen, dass der schwarze Raum auf sie befremdlich wirken musste. Das Einzige, was Banks auffällig fand, war Lukes Interesse an toten Rockstars und dass absolut nichts über seinen toten Vater zu finden war. Irgendetwas stimmte da nicht.
Brian hatte die Musik zu seinem Beruf gemacht. Seine Band stand kurz davor, die erste CD für eine größere Plattenfirma aufzunehmen. Anfangs hatte sich Banks Sorgen gemacht, weil Brian keinem sicheren Broterwerb nachging, aber inzwischen war er sehr stolz auf seinen Sohn. Zu so einem Gesinnungswandel schienen Lukes Eltern nicht fähig zu sein. Banks fragte sich, wie gut Luke gewesen war. Die Kassette würde es ihm vielleicht verraten. Annies Berichte und sein eigener erster Eindruck sagten ihm, dass Martin Armitage sich bestimmt nicht über die musische Begabung seines Stiefsohns gefreut hatte. Armitage maß Erfolg an körperlicher Fitness und sportlichen Taten.
Josie und Calvin Batty wohnten in einem kleinen Apartment in Swainsdale Hall. Es bestand aus Wohnzimmer, Schlafzimmer und einer kleinen Küche, dazu eine Toilette und ein modernisiertes Bad, alles von den Armitages renoviert, erklärte Josie in der Küche, während sie Teewasser kochte. Die Wohnung war in hellen Farben eingerichtet, beige und hellblau, um das vorhandene Licht bestmöglich auszunutzen.
Josie könnte eine attraktive junge Frau sein, wenn sie sich Mühe geben würde, dachte Banks. Stattdessen war ihr Haar glanzlos und schlecht geschnitten, sie trug unförmige, altmodische Sachen, und ihre Haut war blass und trocken. Josies Mann war klein und untersetzt, hatte eine dunkle Hautfarbe und dicke Augenbrauen, die sich über der Nase trafen.
»Wofür genau sind Sie hier zuständig?«, erkundigte sich Banks, als sie bei Tee und Schokoladenkeksen im Wohnzimmer saßen. An der Wand stand ein Fernseher von gewaltigen Ausmaßen und ein Videorekorder.
»Eigentlich für alles. Ich kümmere mich ums Waschen, Bügeln, Putzen und Kochen. Calvin macht hier und da was, pflegt die Autos und erledigt die anstrengenden Arbeiten, Reparaturen am Haus, den Garten und so.«
»Ich kann mir vorstellen, dass es eine Menge zu tun gibt«, sagte Banks. »In so einem großen Haus.«
»Hm«, knurrte Calvin und tunkte einen Keks in den Tee.
»Was ist mit Luke?«
»Was soll mit ihm sein?«, fragte Josie zurück.
»Gehörte es auch zu Ihren Aufgaben, sich um ihn zu kümmern?«
»Calvin hat ihn manchmal zur Schule gebracht oder ihn abgeholt, wenn er zufällig in der Stadt war. Ich hab dafür gesorgt, dass er was zu essen bekommen hat, wenn seine Eltern unterwegs waren.«
»Kam das oft vor?«
»Nein, nicht oft.«
»Wann wurde er das letzte Mal allein gelassen?«
»Letzten Monat. Die beiden sind zu einer schicken Wohltätigkeitsgala nach London gefahren.«
»Was hat Luke gemacht, wenn er allein zu Hause war?«
»Wir haben ihm nicht nachspioniert«, sagte Calvin, »falls Sie das
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