Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
Mädchen war ganz nett. Ziemlich blass und ganz schön dünn, sah irgendwie krank aus, aber sie hat immer freundlich gelächelt und gegrüßt. Sie war eigentlich ganz hübsch. Aber ich hab sie nicht oft getroffen.«
Er musste Tina meinen. Unwillkürlich dachte Banks an den mit Blasen übersäten Körper im verkohlten Schlafsack und den schwärzlichen Arm, in den sie ihre letzte Spritze gesetzt hatte. »Und ihr Freund, Mark?«
»Mark heißt der? Kam mir immer ein bisschen heimlichtuerisch vor. Als hätte er was ausgefressen oder würde was im Schilde führen.«
Nach Banks' Erfahrung vermittelten viele junge Leute in Marks Alter diesen Eindruck. »Und der Typ auf dem anderen Boot?«, fragte er.
»Ach, der Maler?«
Banks warf Annie einen kurzen Blick zu. Sie hob die Augenbrauen. »Woher wissen Sie, dass er Maler war?«
»Kurz nachdem er eingezogen war, baute er ein Oberlicht ein und strich das Boot von außen. Ich dachte, vielleicht hätte er das Boot ja wirklich gemietet oder gekauft und bringt's jetzt in Ordnung. Deshalb hab ich einen Anstandsbesuch gemacht.«
»Und?«
»Er hat mich draußen stehen lassen. War ihm offenbar nicht recht, dass ich ihn besuchen kam. Höflich war das nicht grade.«
»Aber er hat Ihnen gesagt, er sei Künstler?«
»Nein, natürlich nicht. Er hat mich ja draußen stehen lassen, aber ich konnte trotzdem reingucken.«
»Und was sahen Sie da?«
»Na, Malersachen halt. Staffelei, Farbtuben, Paletten, Stifte, Kohle, Lumpen, massenweise Leinwand und Papier, viele Bücher. War ziemlich dreckig da drinnen und stank mächtig.«
»Wonach?«
»Keine Ahnung.Terpentin, Farbe, Kleber. Vielleicht schnüffelte er Klebstoff? Haben Sie daran schon mal gedacht?«
»Bis jetzt noch nicht, aber vielen Dank für den Hinweis. Seit wann wohnte er auf dem Boot?«
»Seit ungefähr sechs Monaten. Seit letztem Sommer.«
»Hatten Sie ihn vorher schon mal gesehen?«
»Ein- oder zweimal. Er lief immer mit seinem Skizzenbuch den Treidelpfad hoch und runter.«
Also war er vielleicht aus der Gegend, überlegte Banks. Dann würde sich leichter etwas über ihn herausfinden lassen. Banks' Exfrau Sandra hatte früher in der Kunstgalerie des Gemeindezentrums von Eastvale gearbeitet. Zwar besaß die Aussicht, Sandras ehemalige Kollegin Maria Phillips zu treffen, ungefähr so viel Anziehungskraft wie ein Abendessen mit Cilla Black, aber sie würde ihm möglicherweise weiterhelfen können. Maria kannte sich hervorragend aus in der örtlichen Kunstszene, Klatsch und Tratsch inklusive. Außerdem gab es da noch Leslie Whitaker, dem das einzige Antiquariat in Eastvale gehörte und der ein wenig mit Kunst handelte.
»Was können Sie uns sonst über ihn sagen?«, fragte Banks.
»Nichts. Hab ihn danach eigentlich nicht mehr gesehen. Saß wahrscheinlich in seiner Kajüte und malte. Der lebte in einer anderen Welt. Oder er nahm Drogen. Ist ja fast normal bei Künstlern, oder? Keine Ahnung, was für einen Schwachsinn er produzierte. Meiner Meinung nach ist diese ganze moderne -«
Banks merkte, dass Annie die Augen verdrehte. Mit vernehmlichem Schnaufen blätterte sie ihr Notizbuch um. »Wir wissen, dass er mit Vornamen Tom hieß«, sagte Banks. »Kennen Sie eventuell seinen Nachnamen?«
Hurst war sichtlich beleidigt, bei seiner kritischen Einschätzung moderner Kunst unterbrochen worden zu sein. »Nein«, antwortete er schnippisch.
»Wissen Sie zufällig, wem die Boote gehören?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Hurst. »Aber man hätte was draus machen können. Eine Schande, sie da so vor sich hin gammeln zu lassen.«
»Wieso hat der Eigner denn nichts unternommen?«
»Vielleicht hat er kein Geld.«
»Dann hätte er sie doch verkaufen können«, sagte Banks. »Mit Kanalbooten muss doch Geld zu machen sein. Es gibt viele Leute, die gerne ihren Urlaub darauf verbringen.«
»Trotzdem«, widersprach Hurst. »Man hätte eine Menge reinstecken müssen, bis sie für Touristen fertig gewesen wären. Diese Art von Booten wurde früher von Pferden gezogen, heute sind die nicht mehr sehr gefragt. Man hätte kleine Motoren, Heizung, Strom und fließend Wasser installieren müssen. Das kostet. Klar, Touristen fahren gerne mit Booten über die Kanäle, aber bitte schön dann mit allem Drum und Dran.«
»Kommen wir noch mal auf Tom zurück, den Künstler«, sagte Banks. »Haben Sie mal einen Blick auf eins seiner
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