Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre

Titel: Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
wäre es Annie lieb gewesen, wenn Banks die Erlaubnis bekommen hätte, dabei zu sein; sie hätte ihn gerne an ihrer Seite gehabt. Aber Einsätze wie diese waren streng gesetzlich geregelt. Auf gar keinen Fall konnte der Bruder von Roy Banks daran teilnehmen. Annie hatte spät am Vorabend mit Banks telefoniert, und er hatte ihr von seinem Besuch im Albion Club berichtet. Dafür hatte Annie ihm erzählt, was Dr. Lukas ihr über die späten Mädchen und Carmen Petri verraten hatte.
      Auf ein vereinbartes Signal hin schlug die SO19-Mann-schaft die Tür auf und stürmte das Haus. Annie und Brooke waren unbewaffnet und hatten Anweisung, draußen zu warten, bis alles gesichert war. Dann durften sie hinein, um Zeugen oder Verdächtige zu befragen. Brooke war ungewöhnlich still. Annie spürte, wie sie erstarrte, als sie Geräusche aus dem Haus hörte: Schreie, Befehle, das Kreischen einer Frau, einen dumpfen Aufschlag.
      Aber es wurde nicht geschossen, das war ein gutes Zeichen.
      Annie hatte keine Vorstellung, wie lange es dauerte, aber schließlich kam der Einsatzleiter nach draußen und sagte, das Haus sei gesichert. Ein Wachmann hätte einen Baseballschläger in der Hand gehabt, drei weitere Männer seien unbewaffnet gewesen. Die übrigen Bewohner waren junge Frauen. Sie sollten besser selbst nachsehen, sagte der Einsatzleiter und schüttelte ungläubig den Kopf.
      Annie und Brooke gingen hinein. Das Haus war heruntergekommen und stark reparaturbedürftig: Die fleckige alte Tapete löste sich an einigen Stellen von der Wand, auf der Treppe lag kein Teppich, die Räume waren mit schmutzigem Linoleum ausgelegt. In der Luft hing der verbrauchte Geruch von Sex und Zigarettenqualm. Durch die Fenster fiel nur wenig Licht, deshalb hatten die Beamten alle Lampen eingeschaltet, die sie finden konnten. Es waren fast ausschließlich nackte Glühbirnen. Sie verschönerten den Anblick kaum, machten eher alles noch schlimmer.
      Die sieben Mädchen waren in einem kleinen Zimmer im ersten Stock. Wahrscheinlich wohnten hier noch mehr, nur waren sie wohl auf den Straßen um King's Cross unterwegs, vermutete Annie. Kunden gab es immer, egal zu welcher Tageszeit. Die Gegend hatte schon seit Jahren einen schlechten Ruf. Annie erinnerte sich, dass die Mädchen früher »Maggies Kinder« genannt wurden. Sie kamen mit den Zügen aus dem Norden, weil dort die Arbeitsplätze rar wurden. Heutzutage waren es wohl eher Putins, Iliescus oder Terzics Kinder.
      Die Kollegen von SO19 durchsuchten das Haus. Annie und Brooke gingen zu den Mädchen. Das nur sparsam eingerichtete Zimmer roch nach Schweiß und billigem Parfüm. Die Mädchen waren nur spärlich bekleidet: enge Hotpants, Miniröcke, Overknee-Stiefel, durchsichtige Oberteile. Ihre Lippen und Augen waren grell geschminkt. Manche wirkten benommen; keines konnte viel älter als fünfzehn Jahre alt sein. Außer der Angst in ihren Gesichtern sah Annie nur Resignation und Verzweiflung. Ja, dies war die Generation der Verlorenen, die Dr. Lukas beschrieben hatte, dachte Annie. Mein Gott, am liebsten hätte sie die Mädchen mit nach Hause genommen, ihnen die Schminke abgewaschen und etwas Ordentliches zu essen gegeben. Die meisten waren mager, einige hatten Ausschlag an den Lippen. Mehrere rauchten, was die Luft im Zimmer nur noch schlechter machte.
      In anderen Räumen gab es Betten und Waschbecken, das hier schien der Aufenthaltsraum zu sein. Die vier Männer, die die SO19-Mannschaft gefunden hatte, waren in Handschellen in den Einsatzwagen verfrachtet worden. Die Mädchen hatte man routinemäßig auf Waffen durchsucht und dann allein gelassen. Vor der Tür stand jemand Wache.
      »Ma'am?« Ein Kollege trat in die Tür und winkte Annie zu sich. »Das sollten Sie mal sehen, glaube ich.«
      Er führte Annie in einen Raum, eher eine Art Wandschrank. Darin hockte ein junges Mädchen. Es war nackt, ein Kollege hatte ihm eine dünne Decke umgelegt. Das Mädchen war entsetzlich mager. Eine Wunde auf der Oberlippe war blutverkrustet. Sie lebte, auch wenn ihre Augen tot wirkten. Der einzige Gegenstand in der Kammer war ein Eimer, der entsetzlich stank.
      »Holen Sie einen Krankenwagen!«, befahl Annie. Sie half dem Mädchen auf die Beine, hielt die Decke fest und brachte sie vorsichtig zu den anderen. Ein anderes Mädchen kam ihnen entgegen und nahm den Neuankömmling in die Arme, murmelte liebevolle Worte, führte sie zu einem Sessel und hockte sich auf die

Weitere Kostenlose Bücher