Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
erklärt und es für den Coroner, den amtlichen Leichenbeschauer, freigegeben. In diesem Fall handelte es sich um einen Dorfpolizisten, dem diese Funktion zugewiesen worden war und der den Transport in die Leichenhalle von Leeds organisierte. Während der flüchtigen Untersuchung am Tatort hatte Dr. O'Neill Chadwick lediglich mitteilen können, dass die Verletzungen höchstwahrscheinlich von einem Messer mit schmaler Klinge stammten und dass das Opfer zum Zeitpunkt der Untersuchung seit weniger als zehn und mehr als sechs Stunden tot war. Das bedeutete, dass es zwischen halb zwei und halb sechs Uhr früh getötet worden war. Die Leiche sei nach dem Tod bewegt worden, fügte Dr. O'Neill hinzu, und habe sich zum Zeitpunkt des Todes nicht im Schlafsack befunden. Auch wenn Stichwunden, selbst am Herz, oft nicht besonders stark bluteten, sagte der Arzt, wäre mehr Blut im Innern des Schlafsacks, wenn die Frau dort erstochen worden wäre.
Wo die Tote wie lange gelegen hatte, bevor sie transportiert worden war, konnte der Arzt nicht sagen, die Leichenflecke würden nur darauf hindeuten, dass sie mehrere Stunden auf dem Rücken gelegen habe. Nach der äußerlichen Untersuchung sah es nicht so aus, als sei sie vergewaltigt worden - schließlich hatte sie immer noch ihre weiße Baumwollunterhose an, und die wirkte sauber -, aber erst eine vollständige Obduktion würde Einzelheiten über sexuelle Handlungen vor dem Tod enthüllen. An den Händen waren keine Verletzungen, die von einem Abwehrversuch stammen mochten. Daher war sie wahrscheinlich überrascht worden; der erste Stich hatte ihr Herz durchbohrt und sie sofort außer Gefecht gesetzt. Vorne links an ihrem Hals waren leichte Druckstellen zu sehen, die laut Dr. O'Neill darauf hinweisen konnten, dass der Mörder sie von hinten festgehalten hatte.
Demnach, resümierte Chadwick, hatte der Mörder den ungeschickten Versuch unternommen, den Eindruck zu erwecken, das Mädchen sei in dem Schlafsack auf dem Feld getötet worden. Ungeschickte Versuche der Irreführung lieferten oft wichtige Hinweise. Bevor Chadwick irgendetwas anderes tat, beauftragte er Enderby, ein Team zusammenzutrommeln und Brimleigh Woods mit einem Polizeihund zu durchkämmen.
Der Fotograf machte seine Arbeit, die Spezialisten suchten den Tatort ab und tüteten alles für die Laboruntersuchung ein. Sie fanden mehrere unvollständige Fußabdrücke, doch es gab keine Garantie, dass einer vom Mörder stammte. Dennoch wurden fleißig Gipsabdrücke genommen. Im unmittelbaren Umkreis befand sich keine Waffe, doch das überraschte kaum, wenn man davon ausging, dass das Opfer nicht dort gestorben war. Im Schlafsack und in der Nähe der Leiche gab es nichts, das auf ihre Identität schließen ließ. Das Fehlen von Schleifspuren legte nahe, dass sie vor dem Regen an den Fundort verbracht worden war. Die Perlen, die sie trug, waren ziemlich gewöhnlich, trotzdem konnte Chadwick sich vorstellen, dass es möglich wäre, einen Händler ausfindig zu machen.
Irgendwelche armen Eltern waren mittlerweile bestimmt krank vor Sorge, so wie Chadwick sich wegen Yvonne gesorgt hatte. Ob sie auf dem Festival gewesen war, fragte er sich. Es würde durchaus zu ihr passen - zu der Musik, die sie hörte, zu ihrer rebellischen Haltung und den Kleidern, die sie trug. Chadwick dachte daran, was für ein Theater sie aufgeführt hatte, als Janet und er ihr am vorletzten Wochenende nicht erlaubt hatten, das Festival auf der Isle of Wight zu besuchen. Die Isle of Wight, Herrgott noch mal! Die war dreihundert Meilen weit weg. Da konnte alles Mögliche passieren. Was hatte Yvonne sich bloß dabei gedacht?
Das Beste wäre zunächst, alle Vermisstenmeldungen zu überprüfen. Vielleicht passte ja eine Beschreibung zu dem Opfer. Falls sie damit kein Glück hätten, würde ein einigermaßen passables Foto von der Toten angefertigt und an Zeitung und Fernsehen verteilt werden. Die Bevölkerung würde aufgerufen, sich zu melden, falls etwas beobachtet oder gehört worden war. Wie auch immer die Polizei es anstellte, sie musste so schnell wie möglich die Identität des Opfers klären. Erst danach konnte sie versuchen zu ergründen, wer dieser Frau das angetan hatte und aus welchem Grund.
Je näher Banks und Annie Lyndgarth kamen, desto dunkler wurde es. Es schien, als hätte der Sturm eine Leitung heruntergeholt und einen Stromausfall verursacht. Zweige zuckten wild im Licht der Scheinwerfer, und sie konnten sich an
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