Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht
dachte, sie könnte dort für alle Zeiten sitzen, Kaffee trinken und in die Sonne schauen. Ein Gefühl von Frieden breitete sich in ihr aus, wie sie es in der Kindheit an langen, heißen, reglosen Tagen empfunden hatte, wenn man nichts anderes hörte als Vögel und das träge Rascheln der Bananenblätter von der Plantage.
Doch es währte nicht lange. Noch bevor Winsome ausgetrunken hatte, kam der Student aus der Tür, schaute sich um, ging die Stufen hinunter und die Straße entlang. Winsome griff zu Portemonnaie und Umhängetasche und heftete sich ihm an die Fersen. Sie hatte beschlossen, dass es am besten sei, einfach auf ihn zuzugehen und es hinter sich zu bringen. Sie war eine Polizeibeamtin, und er zumindest ein Zeuge.
»Entschuldigung«, rief sie, als er um die Ecke biegen wollte.
Mit verwirrtem Gesicht blieb er stehen und wies mit dem Daumen auf seine Brust. »Moi?«
»Ja, Sie. Ich möchte mit Ihnen sprechen.«
»Worüber?«
Winsome zeigte ihren Dienstausweis. »Hayley Daniels«, sagte sie.
»Ich weiß, wer Sie sind, aber ich weiß nicht -«
»Hören Sie auf! Sie waren am Samstagabend mit ihr auf dem Marktplatz. Wir haben Sie auf Video.«
Der junge Mann wurde blass. »Ich denke, ich ... ähm ... gehen wir da rein.« Er steuerte auf einen Imbiss zu. Winsome wollte nicht noch einen Kaffee trinken. Sie entschied sich für eine Flasche Mineralwasser. Der Student, der sich als Zack Lane vorstellte, löffelte Zucker in seinen Kräutertee. »Okay«, sagte er. »Ich kannte Hayley. Na, und?«
»Warum haben Sie sich nicht gemeldet? Sie mussten doch damit rechnen, dass wir Sie früher oder später finden.«
»Weil ich dann mitten in einer Mordermittlung stecke. Hätten Sie sich etwa gemeldet?«
»Natürlich«, sagte Winsome. »Wo ist das Problem, wenn Sie nichts getan haben?«
»Ha. Sie haben gut reden.« Zack überlegte und musterte Winsome genau. »Andererseits haben Sie vielleicht doch nicht so gut reden. Sie müssten es besser wissen als die meisten.«
Winsome merkte, dass sie wütend wurde. »Was meinen Sie damit?«
»Ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, warum Sie zur Polizei gegangen sind. Jemand wie Sie. Ihre Freunde finden das bestimmt gar nicht toll, oder? Immer auf Verdacht von den Bullen angehalten werden, nur weil man schwarz ist. Sie müssen doch nur die Straße runtergehen und schon -«
»Schluss damit! Hören Sie auf!«, sagte Winsome und hob die Hand. Irgendetwas an ihrem Tonfall ließ ihn innehalten. »Ich bin nicht hier, um mit Ihnen über Rassismus oder meine Berufswahl zu diskutieren. Ich bin hier, um Fragen über Hayley Daniels zu stellen. Verstanden? Sie sagten eben, Sie wüssten, wer ich bin. Woher?«
Zack lächelte. »Es gibt nicht noch mehr schwarze Bullen in Eastvale«, sagte er. »Soweit ich weiß, sind Sie die Einzige, und Ihr Bild war in der Zeitung. Kann nicht sagen, dass mich das wundert. Aber das Foto wurde Ihnen nicht gerecht. Sie hätten auf der Titelseite sein müssen.«
»Schluss damit!«, sagte Winsome. Kurz nachdem sie nach Eastvale versetzt worden war, hatte die Lokalzeitung einen Artikel über sie gebracht. Winsome rang sich ein Lächeln ab. »Da müssen Sie aber noch sehr klein gewesen sein.«
»Ich bin älter, als ich aussehe. Bin gleich die Straße runter groß geworden. Ich komme von hier. Mein Vater sitzt im Stadtrat, deshalb will er, dass wir den Finger am Puls der Metropole haben.« Er lachte.
»Sie waren gerade bei Malcolm Austin.«
»Ja, und? Er ist mein Tutor.«
»Ist er gut?«
»Warum, wollen Sie sich hier als Studentin einschreiben?«
»Seien Sie nicht so frech und beantworten Sie meine Frage!«
»Werden Sie doch mal locker!«
»Ich soll locker werden?«, wiederholte Winsome ungläubig. Hatte Annie das nicht auch am Vorabend zu ihr gesagt? Erst wollte sie eine sarkastische Bemerkung machen, dann bohrte sie dem Studenten den Finger in die Brust und sagte: »Ich soll locker werden? Ich war Sonntagmorgen als eine der ersten am Tatort und habe Hayleys Leiche gesehen, also erzählen Sie mir nicht, ich soll locker werden! Ich habe sie dort tot liegen sehen. Sie wurde vergewaltigt und erwürgt. Also erzählen Sie mir nicht, ich soll locker werden! Sie sind doch angeblich ein Freund von ihr.«
Zacks Gesicht war blass geworden, er war zerknirscht. »Schon gut, tut mir leid«, sagte er und warf das Haar nach hinten. »Ich bin selbst
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