Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht
nun die Bestätigung hatte, die sie gesucht hatte, bekam Winsome das Gefühl, es gehe voran. Wenn Malcolm Austin das nächste Mal Besuch von der Polizei bekäme, würde er deutlich schwierigere Fragen beantworten müssen.
* 8
»Was ist los, Alan? Was läuft hier ab? Die Anspannung bei Hartnell im Büro war wirklich mit den Händen zu greifen.«
»Glaubst du, Phil Hartnell hat was gemerkt?«
»Er wäre nicht da, wo er heute ist, wenn ihm solche Dinge entgehen würden. Wahrscheinlich dachte er, ihr hättet Ehekrach.«
»Und du?«
»War auch meine Vermutung. Aber -«
»Aber was, Ken?«
»Na, ihr seid doch nicht mehr zusammen, oder? Zumindest dachte ich, dass ihr kein Paar mehr wärt.«
»Sind wir auch nicht«, erwiderte Banks. »Zumindest dachte ich das.«
»Was soll das heißen?«
Sie saßen draußen auf einer Bank vor dem Pack Horse in einem Innenhof am Briggate. Die Mauern waren zwar höher, dennoch musste Banks an das Labyrinth und Hayley Daniels denken. Er ließ sich den riesigen Schellfisch mit Pommes schmecken, neben sich ein großes Glas Black Sheep. An einem anderen Tisch saß bereits eine Gruppe von Studenten und unterhielt sich über ein Konzert von Radiohead. Allmählich kamen die Leute aus den Büros zum Mittagessen - Männer mit gelockerten Krawatten und über die Schulter geworfenen Sakkos, Frauen in langen Röcken, kurzärmeligen Oberteilen und offenen Schuhen oder Sandalen. Seit Sonntag war es deutlich wärmer geworden, die Aussichten fürs Wochenende waren gut.
»Das wüsste ich auch gerne«, sagte Banks. Er fand es nicht angebracht, Ken genau zu schildern, was am Vorabend geschehen war, und beschränkte sich deshalb auf die wesentlichen Punkte. Er verschwieg den unangenehmen Annäherungsversuch von Annie und wie er sich gefühlt hatte, als ihre Oberschenkel und Brüste ihn streiften. Begierde und Gefahr. Banks hatte sich entschlossen, der Gefahr aus dem Weg zu gehen und dem Begehren nicht nachzugeben. Aber das konnte er Ken nicht erklären. Eifersucht war auch im Spiel gewesen, weil Annie von einem jungen Gespielen gesprochen hatte. Irgendwo hatte Banks mal gelesen, dass es keine Eifersucht ohne Begehren gab.
»Worum ging's denn eigentlich?«, fragte Blackstone.
Banks lachte. »Annie weiht mich heutzutage nicht mehr in ihre Gedanken ein. Außerdem ist sie seit ein paar Wochen drüben in der Eastern Area. Wir haben nichts miteinander zu tun. Irgendetwas ist mit ihr los, mehr weiß ich auch nicht.«
»Sie sah heute Morgen nicht gut aus.«
»Ich weiß.«
»Du sagst, sie war betrunken, als sie dich besuchte?«
»Den Eindruck hatte ich jedenfalls.«
»Vielleicht hat sie ein Problem mit dem Alkohol? Kommt in unserem Beruf oft genug vor.«
Banks blickte in sein halbleeres Glas. Oder war es halbvoll? Hatte auch er ein Problem mit dem Alkohol? Es gab auf jeden Fall Leute, die das behaupten würden. Er wusste, dass er zu viel trank, aber es war nicht genug, um morgens einen Kater zu haben oder seine Arbeit zu belasten, deshalb machte er sich keine großen Gedanken darüber. Wem schadete es schon, wenn er allein zu Hause saß, ein paar Glas Wein trank und dabei Thelonious Monk oder Grateful Dead hörte? Klar, hin und wieder bekam er den Blues und suhlte sich in ein paar späten Liebesliedem von Billie Holiday oder in Dylans Modern Times, und dann gönnte er sich noch ein oder zwei Glas mehr. Ja, und? Wie Annie gesagt hatte: War denn in seinem jämmerlichen, armseligen Leben so viel los, dass er es sich leisten konnte, jemanden wie sie abzuweisen?
»Ich glaube nicht, dass es daran liegt«, sagte Banks. »Annie hat immer gerne was getrunken, und sie kann was vertragen. Nein, ich glaube, das ist das Symptom, nicht die Ursache.«
»Ärger mit Männern?«
»Warum glauben wir immer, dass es irgend so was sein muss?«, fragte Banks. »Vielleicht ist es auch Ärger im Beruf?« Doch kaum hatte er es ausgesprochen, glaubte er selbst nicht mehr daran. Annie hatte gestern Abend einige Andeutungen gemacht, die er nur halb verstanden hatte, aber wenn er zwischen den Zeilen las, dann ging es dabei um Männer. Banks war schon einmal Teil ihres Liebeslebens gewesen und wusste nicht, ob er das wieder sein wollte. »Vielleicht liegt es daran, dass jetzt alles mit Lucy Payne und Janet Taylor wieder aufgewirbelt wird«, sagte er und hoffte, zumindest vom Thema ablenken zu können, wenn er es schon nicht
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