Inspector Banks kehrt heim
goss sich einen starken Laphroaig ein. Er hatte das Gefühl, bis auf die Knochen nass geworden zu sein. Er bereitete sich ein Sandwich mit Käse und Zwiebeln zu, zappte durch alle Fernsehsender, fand nichts Sehenswertes und legte eine CD von Bessie Smith ein.
Vor der Hintergrundmusik von Woman's Trouble Blues dachte er über den Fosse-Fall nach. Der Single Malt wärmte ihn von innen. Warum bloß fühlte er sich so unwohl? Weil David Fosse so unschuldig wirkte? Weil er Norma Cheverels sexuellen Hunger gespürt hatte und es ihm unangenehm gewesen war? Weil Michael Bannister log? Und war Carla Jacobs in ihren Chef verliebt, oder schützte sie nur Lucy Bannister? Banks legte die Fotos auf den Couchtisch.
Ehe er seine Fragen beantworten konnte, kehrte Sandra vom Fotografie-Unterricht zurück, den sie am örtlichen College erteilte. Sie beklagte sich bei Banks, dass es nur so wenig Menschen gebe, die den Unterschied zwischen einer Blende und einem Loch im Boden kannten. Banks hielt das für einen schlechten Vergleich, weil eine Blende doch irgendwie schon ein Loch war. Dann warf Sandra einen Blick auf die Fotos auf dem Couchtisch.
»Was sind das, Beweise?«, fragte sie und wollte sie in die Hand nehmen, hielt sich aber noch rechtzeitig zurück.
»Du kannst ruhig«, sagte Banks. »Wir haben sie bereits untersucht.«
Sandra nahm zwei Gruppenfotos in die Hand, sechs Personen in Abendkleidung, die dem Fotografen ihre Sektflöten entgegenhielten. Alle hatten rote Augen, Zeichen eines billigen automatischen Blitzes.
»Ah«, machte Sandra. »Furchtbare Bilder.«
»Angeberin«, sagte Banks. »Sie hat ja nicht so eine tolle Kamera wie du.«
»Daran liegt es nicht«, entgegnete Sandra. »Das könnte ein fünfjähriges Kind mit einer Brownie besser machen. Was war das denn für ein Apparat?«
»Eine Canon«, erklärte Banks und nannte das Modell. Der Aufkleber am Plastikbeutel hatte sich in sein Gehirn gebrannt.
Sandra legte die Fotos zurück und runzelte die Stirn. »Eine was?«
Banks wiederholte die Bezeichnung.
»Das kann nicht sein.«
»Warum nicht?«
Sandra beugte sich vor, schob die langen blonden Strähnen hinter die Ohren und breitete die Fotos aus. »Na, weil alle hier drauf rote Augen haben«, sagte sie. »Aber die Kamera, von der du sprichst, macht keine roten Augen.«
Banks machte ein fragendes Gesicht.
»Weißt du, wie rote Augen entstehen?«, fragte Sandra.
»Ich kann eine Blende nicht von einem Loch im Boden unterscheiden.«
Sie stieß ihn an. »Bleib ernst, Alan. Wenn man in einem dunklen Zimmer ist, weiten sich die Pupillen. Die Iris öffnet sich, um mehr Licht hereinzulassen, damit man richtig sehen kann, genau wie die Blende des Fotoapparats. Verstehst du? Du weißt doch, wie das ist, wenn man ins Dunkle geht, und die Augen passen sich erst langsam an, oder?«
Banks nickte. »Und weiter?«
»Wenn man nun plötzlich in einen Lichtblitz guckt, hat die Iris keine Zeit mehr, sich zu schließen. Die roten Augen entstehen, weil der Blitz die Adern im Auge beleuchtet.«
»Aber warum sieht man das nicht auf allen Blitzlichtfotos? Der Blitz hat doch nur Sinn, wenn man ihn im Dunkeln benutzt, oder?«
»Normalerweise schon, aber man sieht rote Augen nur dann, wenn der Blitz direkt auf die Iris gerichtet ist. Wenn der Blitz von oben kommt, sieht man ihn nicht. Das ist ein anderer Winkel. Verstehst du?«
»Ja. Aber ich kenne nicht viele Leute, die so einen Fotoapparat und einen separaten Blitz in der Hand halten.«
»Stimmt. Weil es nämlich noch eine andere Möglichkeit gibt, rote Augen zu vermeiden. Die teureren Modelle, so wie das, das du eben genannt hast, geben vor der Belichtung mehrere kurze Blitze ab, so dass die Iris sich schließen kann. Eigentlich ganz einfach.«
»Du meinst also, diese Fotos können auf keinen Fall mit dieser Kamera gemacht worden sein?«
»Genau.«
»Interessant«, meinte Banks. »Sehr interessant.«
Sandra grinste. »Habe ich deinen Fall gelöst?«
»Noch nicht, nein, aber ich hatte schon so meine Zweifel, und die hast du bestärkt.« Banks griff nach dem Telefon. »Nach dem, was du mir gerade gesagt hast, kann ich wenigstens dafür sorgen, dass David Fosse heute Nacht in seinem eigenen Bett schläft.«
* 7
Norma Cheverel war nicht erfreut, Banks und Susan am nächsten Morgen wiederzusehen. Sie begrüßte sie so ungeduldig und unhöflich,
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