Inspector Banks kehrt heim
mich ist es einfacher, ihn in dem Glauben zu lassen.«
»Das kann ich nachvollziehen«, sagte Banks und hörte doch nur mit halbem Ohr zu. Warum war er nicht schon vorher auf die Idee gekommen? Jetzt wusste er, in welcher Hinsicht Michael Bannister gelogen hatte und warum. »Hören Sie, Mrs Bannister«, unterbrach er sie, »vielleicht könnten Sie uns helfen. Glauben Sie, dass Sie eventuell mit Ihrem Mann reden könnten, ihm sagen, dass Sie Bescheid wissen?«
»Ich weiß nicht. Ich möchte ihn nicht aufregen.«
Banks spürte Ärger in sich aufsteigen. Die Bannisters waren so sehr damit beschäftigt, die Gefühle des Partners zu schonen, dass kein Platz für die Wahrheit blieb. Fast konnte er hören, wie sie auf ihrer Unterlippe herumbiss. Er versuchte, sich seine Verärgerung nicht anmerken zu lassen. »Es könnte sehr wichtig sein«, sagte er. »Und ich bin mir sicher, dass es nicht schaden wird. Wenn er deswegen Schuldgefühle haben sollte, könnten Sie ihm helfen, sie zu überwinden, oder?«
»Wahrscheinlich schon.« Sie zögerte noch, freundete sich jedoch langsam mit der Vorstellung an.
»Damit würden Sie ihm sicherlich helfen, und auch Ihrer Beziehung würde es guttun.« Innerlich wand sich Banks ob seiner Wortwahl. Erst Kindermädchen und jetzt Eheberater.
»Vielleicht.«
»Machen Sie es also? Sprechen Sie mit ihm?«
»Ja.« Entschlossenheit in der Stimme. »Ja, ich rede mit ihm, Mr Banks.«
»Und würden Sie mir noch einen Gefallen tun?«
»Wenn ich kann.«
»Würden Sie ihm meine Telefonnummern geben und ihm sagen, dass er mich anrufen kann, ohne Angst haben zu müssen, dass ihm etwas zur Last gelegt wird, falls ihm noch irgendetwas einfallen sollte?« Er nannte ihr seine Nummer auf der Dienststelle und zu Hause.
»Ja.« Sie wusste nicht, wovon er sprach, aber das war egal.
»Es ist sehr wichtig, dass Sie ihm sagen, dass keine Klage gegen ihn erhoben wird und dass er mit mir persönlich sprechen soll. Haben Sie das verstanden?«
»Ja. Ich weiß ja nicht, worum es geht, aber ich mache, was Sie mir gesagt haben. Und vielen Dank.«
»Ich danke Ihnen.« Banks ging zum Mittagessen im Queen's Arms. Es war noch zu früh, um zu feiern, aber er drückte die Daumen, als er über die Market Street in den schwachen November-Sonnenschein ging.
* 9
Norma Cheverels Luxuswohnung war so elegant und teuer eingerichtet, wie Banks erwartet hatte. Einige der Bilder an den Wänden waren Originale. All ihre Möbel sahen handgefertigt aus. Sie hatte sogar einen Eichentisch aus der Werkstatt von Robert Thompson in Kilburn. Banks erkannte das Markenzeichen: In eins der Beine war eine Maus geschnitzt.
Als Banks und Susan am Abend um halb acht auftauchten, hatte Norma gerade das Geschirr vom Abendessen in der Spülmaschine verstaut. Sie hatte die Businesskleidung abgelegt und trug schwarze Leggings, die ihre wohlgeformten Beine betonten, dazu einen grünen Wollpullover, der ihr kaum über die Hüften reichte. Sie setzte sich und schlug die Beine übereinander, eine Zigarette in der Hand.
»Und?«, fragte sie. »Muss ich meinen Anwalt anrufen?«
»Ich glaube, ja«, entgegnete Banks. »Aber zuerst möchte ich, dass Sie mir ein paar Fragen beantworten.«
»Ohne meinen Anwalt werde ich kein einziges Wort sagen.«
»Auch gut«, meinte Banks. »Ist Ihr gutes Recht. Dann rede ich halt alleine.«
Sie schniefte und klopfte ein kleines Stück Asche ab. Das übergeschlagene Bein wippte auf und ab, als ob ein Arzt unablässig ihren Reflex prüfte.
»Ich kann Ihnen auch gleich sagen, dass Michael Bannister eine Zeugenaussage gemacht hat«, begann Banks.
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Ich glaube schon. Sie waren es, die beim Essen und hinterher im Hotelzimmer diese Fotos gemacht hat. Sie haben die Nacht mit Michael Bannister verbracht, nicht Kim Fosse.«
»Das ist doch albern!«
»Nein, ist es nicht. Sie sagten ihm hinterher, falls ihn jemand fragte, sollte er sagen, er hätte mit Kim Fosse geschlafen, sonst würden Sie es seiner Frau erzählen. Sie wussten, dass Lucy herzkrank ist und er Angst hatte, der Schock würde sie umbringen.«
Norma wurde blass. Banks kratzte an der kleinen Narbe neben seinem rechten Auge. Wenn sie juckte, bedeutete das oft, dass er auf der richtigen Spur war. »Wie sich herausgestellt hat«, fuhr er fort, »war Lucy Bannister durchaus bewusst, dass ihr Mann
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