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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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weiß noch, dass ich dachte, es gebe doch nichts Dümmeres als eine Gruppe von Erwachsenen, die unter Palmen Jingle Bells und White Christmas grölt, schon gar nicht mit einem Drecksack wie Bud Schiller im Nikolauskostüm als Vorturner. Als die Singerei gegen halb zehn verstummte, war die Schrift in meinem Buch so verschwommen, dass ich nicht weiterlesen konnte, und so gegen zehn lag ich schnarchend im Bett, wie die meisten Bewohner der Ferienhaussiedlung Whispering Palms.
      »Er hatte was getrunken«, fuhr ich fort. »Mary Pasquale aus dem Büro hat mir erzählt, dass er völlig durch den Wind war. Anscheinend hat er nach der Feier das Piano mitgenommen, ist neben dem Pool gestolpert und kopfüber reingefallen.«
      Al hob fragend die Augenbrauen.
      Völlig unrecht hatte er nicht. Noch während ich die offizielle Stellungnahme wiederholte, machte etwas in meinem Hinterkopf klick. Als ehemaliger Bulle hatte ich schon genug sonderbare Tatorte gesehen, zum Beispiel bei dem Typen, den man tot auf den U-Bahn-Schienen gefunden hatte, nur ohne Kopf. Aber in diesem Fall musste ich mir zwei Fragen stellen. Erstens: Hätte Schiller das Piano im Fallen nicht losgelassen, um sich vor dem Aufprall zu schützen?
      Und zweitens, und das war wichtiger: Warum um Himmels willen war das elektrische Piano noch eingestöpselt?
      »Ich habe gesehen, dass du mit Schillers Freunden gesprochen hast«, sagte ich leise zu Al, damit sie mich nicht hörten. »Kennst du sie gut genug, um zu glauben, dass einer von denen ihn umgebracht hat?«
      Al schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Hab einfach mal die Angel ausgeworfen. Ed Brennan, der mit dem roten Gesicht, steht auf Pferde. Wir waren mal zusammen auf der Rennbahn in Naples. Aber er ist ein schlechter Verlierer. Zu verbissen. Und vor ein paar Jahren hab ich ein paarmal mit Schiller Golf gespielt. Er schummelte, wusstest du das?«
      Schummeln beim Golfstand nicht gerade weit oben auf meiner Liste von Mordmotiven, aber man konnte ja nie wissen. »Was ist mit dem Mädchen?«
      Al hob die Augenbrauen. »Aha! Cherchez la femme, was? Sie heißt Karen Lee. Ist Vorschullehrerin, glaube ich.«
      »Also, wenn meine Vorschullehrerin so ausgesehen hätte ...«
      »In dem Alter hättest du das noch gar nicht bemerkt. Außerdem: Falls du irgendwelche Gedanken in der Richtung haben solltest, Jack, vergiss es! Ich kann dich nur warnen, die Frau ist kalt wie Eis.«
      Ich betrachtete Karen Lee. Geistesabwesend fuhr sie mit dem Finger über den Rand eines hohen mattierten Glases. Keine absichtlich erotische Geste, trotzdem sah es unglaublich sexy aus. Auf mich wirkte sie alles andere als eiskalt.
      »Seit wann macht Schiller hier Urlaub?«, fragte ich.
      »Länger als ich, und ich bin jetzt seit neun, zehn Jahren Stammkunde.«
      »Und wie haben die sich gefunden?«
      »Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass sie alle aus Kanada kommen. Jedes Jahr versammelte Schiller solch glücklose Gestalten um sich, aber meistens suchten sie danach das Weite, so wie ich. Ed war der Erste, vor ungefähr vier Jahren, der wiederkam. Als Nächstes kam die Blonde, im Jahr danach, glaube ich, und letztes Jahr tauchte die Dicke auf.«
      »Wie heißt sie richtig?«
      »Ginny Fräser. Hoffnungsloser Fall aus Smith's Falls, soweit ich weiß. Alleinerziehende Mutter. Lebt von der Sozialhilfe.«
      »Wie kann sie es sich leisten, hier Urlaub zu machen?«
      »Frag mich nicht.«
      »Was macht Ed beruflich?«
      »Ist in Rente. War früher Hausmeister an einer Schule in Waterloo.«
      Vorschullehrerin, Sozialhilfeempfängerin, Hausmeister im Ruhestand. Nicht gerade Großverdiener. Und alle aus Kanada. Trotzdem, das hatte nicht unbedingt etwas zu bedeuten. Halb Kanada mietet im Winter Ferienwohnungen in Florida - und Kanada ist ein großes Land. Ich schaute abermals hinüber, suchte nach einem Schuldgefühl auf ihren Gesichtern. Nichts. Karen fuhr immer noch mit dem Finger über den Glasrand. Ed erzählte einen Witz, der, wie er laut verkündete, »bestimmt auch dem alten Bud gefallen hätte«. Nur Ginny lachte mit bebendem Doppelkinn und Tränen in den Augen.
      Ich trank mein Bier aus, verabschiedete mich von Al und ging. Als ich am Abend mit einer Flasche chilenischem Wein und einem Pfund Riesengarnelen zum Grillen zurück in meine Wohnung kam, versuchte ich Alans Vermutung zu vergessen, es könne Mord gewesen sein.
      Aber es funktionierte nicht.
      Das Problem war: Was

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