Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
langsam besser. Bei meinem dritten Bier im Chloe's am späten Nachmittag war ich allmählich wieder froh, unter den Lebenden zu sein. Fast. Außerdem gelangte ich mehr und mehr zu der Überzeugung, dass der Tod vom Nikolaus kein Unfall gewesen war, auch wenn es alle zu glauben schienen.
      Die Happy Hour im Chloe's - einer düsteren hufeisenförmigen Kneipe mit Restaurant - dauerte von elf Uhr morgens bis sieben Uhr abends. Zum späten Nachmittag hin trat die Verzweiflung meistens offener zutage: Die Männer erzählten zum dritten oder vierten Mal denselben Witz, die Frauen lachten ein wenig zu laut.
      Am Nachmittag nach dem Tod des Nikolaus saß ich zufällig seiner kleinen Clique gegenüber. Es war eine sonderbare Gruppe, die drei, die den harten Kern bildeten: ein grauhaariger Herr um die sechzig, der trotz seiner puterroten Gesichtsfarbe keinen gesunden Eindruck machte, eine Frau von Mitte vierzig mit Kleidergröße 42, die immer 38 trug, und eine hübsche Blondine, die nicht älter als fünfundzwanzig sein konnte. Vielleicht bin ich ja sexistisch oder altenfeindlich, aber ich konnte mir nicht vorstellen, warum die junge Frau mit dieser Losertruppe herumhing. Mensch, wusste sie denn nicht, dass sie mich haben konnte, wenn sie ihre Karten nur richtig ausspielte?
      Sicher, ich bin kein Adonis. Aber abgesehen von meinem kleinen Bierbauch habe ich mich für einen Mann meines Alters und meiner Trinkgewohnheiten nicht schlecht gehalten. Ich habe noch immer volles Haar, auch wenn es grau wird. Ich mag zwar ein bisschen angeschlagen und grobschlächtig sein, aber man hat mir schon gesagt, ich sei durchaus knuddelig.
      Egal. Meiner bescheidenen Meinung nach war der Nikolaus - mit bürgerlichem Namen Bud Schiller, ein Immobilienmakler im Ruhestand aus Kingston, Ontario - ein Riesenarschloch gewesen. Die meisten Menschen verbrachten nur wenige Minuten in seiner Gegenwart und nahmen dann schreiend Reißaus. Nur diese drei Freunde nicht. Ganz im Gegenteil: Sie hatten über seine Witze gelacht, jedes Wort von ihm aufgesaugt. Natürlich hatte Schiller die meisten Runden bestellt, dennoch fand ich, seine Gesellschaft sei ein verdammt hoher Preis für das eine oder andere ausgegebene Bier.
      »Und, was glaubst du, wer es war, Jack?«
      Al French pflanzte sich auf den leeren Barhocker neben mir. Er war eine Mischung aus Einzelgänger und Partylöwe; er kannte alles und jeden, ließ sich aber wie ein Schmetterling nie zu lange an einem Ort nieder. Er behauptete, in Rochester zu wohnen und Schriftsteller zu sein, aber ich hatte noch nie ein Buch von ihm gesehen. Bat man ihn, etwas genauer zu werden, dann blieb er die Antwort schuldig.
      Al legte den Kopf in den Nacken und nahm mit hüpfendem Adamsapfel einen Schluck aus der Flasche. Er war ein drahtiger kleiner Kerl mit großer Nase, zurück-gegeltem Haar und Bartstoppeln. An diesem Tag trug er ein Hawaiihemd und Bermudashorts.
      »Das war ein Unfall«, sagte ich.
      »Blödsinn, und das weißt du genau.« Al stellte die Flasche ab und flüsterte mir etwas ins Ohr. Es klang, als hätte er schon ein paar intus. »Wenn ein Wichser wie Bud Schiller stirbt, muss mehr dahinterstecken als ein Unfall. Los, Junge, du bist doch Privatdetektiv!«
      »Stimmt. Aber ich bin im Urlaub.«
      »Ein echter Schnüffler gibt nicht eher auf, als bis er die Wahrheit findet und der Gerechtigkeit Genüge getan wird.«
      Ich verdrehte die Augen. »Wo hast du das denn her, Al? Aus einem alten Jerry Cotton?«
      Al war verletzt. »Das hab ich nicht gelesen, sondern selbst geschrieben.«
      »Du schreibst Detektivgeschichten?«
      »Wir reden über den Mord an Bud Schiller.«
      Alles klar? So weicht er immer aus. Und er ist beharrlich. Ich bestellte noch ein Michelob und bot Al eine Zigarre an.
      »Kubanisch?«, fragte er.
      Ich bejahte.
      Al zuckte mit den Schultern und nahm sie. »Was wollen die schon tun, hä? Mich einsperren, nur weil ich rauche?«
      Ich lachte. »Jetzt mal im Ernst, Al: Die Beamtin, mit der ich gesprochen habe, meinte, es war ein Unfall. Sie hat mich gefragt, ob ich was Ungewöhnliches gesehen oder gehört hätte, dann war sie weg.«
      »Und?«
      »Nein, hab ich nicht.«
      Ich hatte nicht vor, Al zu erzählen, dass ich den ganzen Abend draußen auf dem Balkon gesessen hatte, eine Zigarre geraucht, Robertson Davies gelesen und mir dabei eine Flasche Whiskey einverleibt hatte. Das Singen hatte ich in der Ferne gehört, ich

Weitere Kostenlose Bücher