Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
besonders aufmerksam ist.«
Nicholas sog die Wirkung des Lächelns ein (ein sanfter, federleichter Schlag in den Solarplexus), und seine Knie wurden weich. Er packte grimmig den Türgriff. Zum ersten Mal in seinem Leben verfluchte er den Enthusiasmus, der ihn lange Zeit vor dem Erscheinen anderer ins Latimer geführt hatte. Dann fragte er sich, wie zum Teufel er sich auf der Bühne konzentrieren sollte, wenn er sich so elend fühlte. Mit aller Kraft rief er sich ins Gedächtnis zurück, daß es schließlich bloß Kitty war. Die hübsche, dumme, gewöhnliche Kitty. Ihre enorme Dummheit und die Tatsache, daß sie eine sehr gleichgültige und desinteressierte Schauspielerin war, hätten normalerweise ausgereicht, um ganz sicher zu sein, daß er keinerlei Interesse an ihr hatte. Und wenn sein Gehirn das verstehen konnte, dachte Nicholas, warum sollte er dann nicht auch seine Eingeweide, die sich immer noch rhapsodisch drehten, unter eine ähnlich straffe Kontrolle bringen können?
Während er fortfuhr, gegen seinen Anflug von Fleischeslust zu argumentieren, nahm Kitty ihre Drahtbürste und begann, sich zu frisieren. Sie bürstete sich das Haar hoch und aus dem Gesicht zurück, das ohne die Aureole aus goldenen Locken wirklich auf eine pikante Weise herzförmig war.
Nicholas sagte sich, es sei doch eher spitz als herzförmig. Irgendwie scharf. Ein bißchen wie ein Frettchen. Dann öffnete sie den Mund, füllte die feuchte, rosarote Höhle mit Klammern und fing an, ihr Haar hochzustecken. Durch diese Bewegung trat ihr Busen stärker hervor, drückte sich gegen ihre Bluse. Dann, noch während Nicholas zusah, sprengten die Knöpfe ihre Fesseln. Der Stoff sprang auseinander, und ihre kleinen, wunderschönen Brüste waren entblößt und doppelt verwirrend, da sie der Spiegel noch einmal zeigte. Sie stand auf und ließ mit einer leicht aufreizenden, lasziven Geste den Rest ihrer Kleidung bis auf die seidenen Strapse und die oberschenkelhohen Stiefel fallen. Dann drehte sie sich um, stellte einen Fuß auf die Sitzfläche ihres Stuhls und versuchte, ihn anzulocken.
»Nico... ? Was auf Erden ist denn heute abend bloß los mit dir?«
»Oohh... die Nerven vermutlich.«
»Richtig. So geht es mir auch. Oh, verdammt...« Kittys Haare fielen herab. »Heute ist einer dieser Tage, an denen man am besten im Bett geblieben wäre.«
Nicholas, dessen Problem sich von dem seiner Mitspielerin kaum noch mehr hätte unterscheiden können, wurde plötzlich durch etwas abgelenkt, was in der Werkstatt herumgeschoben wurde. »Ah«, murmelte er, »es scheint, wir sind nicht die einzigen, die so früh hier sind.«
»Ich würde es ja so gern abschneiden lassen.« Kitty steckte die Klammern energisch wieder zurück. »Aber Esslyn würde durchdrehen. Er denkt, eine Frau ist nur dann wirklich weiblich, wenn sie langes Haar hat.«
»Ich frage mich, wer das sein kann.«
»Wer was sein kann?«
»In der Werkstatt.«
»Colin, nehme ich an. Er hat sich doch gerade erst kürzlich darüber beschwert, wieviel er zu tun hat.«
»Wie üblich.«
»Hm, Nico...« Kitty ließ ihre Brüste sinken und wandte ihm das Gesicht zu. »Du wirst doch nicht... ich meine... bei der Premiere zusammenbrechen, Liebling? Ich würde absolut wahnsinnig werden.«
»Natürlich werde ich nicht zusammenbrechen!« schrie Nicholas beleidigt. Diese Gemeinheit schaffte es besser als jeder der vorangegangenen Versuche, seine Leidenschaft mit einem Schlag wegzuwischen und ihn wieder zur Vernunft zu bringen. Diese dumme Kuh. »Du solltest mich besser kennen.«
»Aber du hast soviel Text.«
»Auch nicht mehr als in Die Nacht muß kommen.«
»... und Esslyn sagt... bei deiner Unerfahrenheit... wirst du vermutlich einfach steckenbleiben und mich im Stich lassen...«
»Esslyn soll sein Maul halten.«
»Ohhh!« Eine gewisse Boshaftigkeit funkelte in ihrem Gesicht. Dann neigte sie den Kopf verschwörerisch ein wenig zur Seite.
»Keine Angst. Ich werde es schon nicht weitererzählen.«
»Von mir aus kannst du es jedem erzählen.«
Nicholas ging raus und warf die Tür zu. Dieser herablassende Mistkerl. »Ich werde bestimmt nicht derjenige sein, der bei der Premiere zusammenbricht, Kumpel«, zischte er. In der Herrengarderobe warf er sich in seinen Mantel und band das Schwert um, sah auf seine Uhr und stellte fest, daß kaum zwanzig Minuten vergangen waren, seit er das Theater betreten hatte.
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