Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
enthaupteten Hälse und an riesigen Bergen von rotmarmoriertem Fleisch, in das Stahlhaken gerammt worden waren. In Angstschweiß gebadet wachte er auf und schien immer noch den Gestank von Blut und Sägemehl in der Nase zu haben. Seit einer Woche träumte er diesen Traum nun jede Nacht. Er betete zu Gott, daß er ihn nie wieder träumen müsse, wenn die Premiere vorbei war.
Er erzählte ihn den beiden zwar mit einem heiteren Unterton, aber Tim spürte sofort das darin enthaltene Unbehagen. »Gut«, sagte er, »es sind ja nur noch zwei Nächte. Und hab keine Angst vor Montag, Nico. Du wirst ganz hervorragend sein.« Nicholas sah nun schon nicht mehr ganz so blaß aus. »Avery war gestern abend in meiner Kabine, und er hat bei deiner Sterbeszene geweint.«
»Ohhh!« Nicholas’ Gesicht war ekstatisch. »Ist das wahr, Avery?«
»Das kam hauptsächlich wegen der Musik«, entgegnete Avery, »also hast du keinen Grund, überheblich zu werden. Obwohl ich glaube, daß du eines Tages, wenn du sehr hart arbeitest, wirklich gut werden könntest. Natürlich würde sich gegen Esslyn jeder wie der neue Laurence Olivier ausnehmen. Oder auch der alte, je nachdem.«
»Er ist dermaßen überzogen«, klagte Tim. »Besonders in der Don-Giovanni-Szene.«
»Absolut«, rief Nicholas, und Tim beobachtete mit Freude, daß wieder etwas Farbe in sein Gesicht zurückkehrte. »Das ist meine Lieblingsstelle: >Machet dieses e-zu einem e-Gott in e-meinem Ohr. Genau e-diese eine.. .<« Seine Stimme triefte vor Spaghettiakzent. »>E-gebbe Er das e-mirr ...<«
»Oh! Darf ich Gott spielen?« bat Avery. »Bitte.«
»Warum nicht?« sagte Tim. »Warum sollte es heute anders sein?«
Avery kletterte auf einen Stuhl und deutete mit einem dicken Blakeschen Finger auf Nicholas. »Nein... dich brauche ich nicht, Salieri. Ich habe... Mozart!« Dämonisches Gelächter erklang, und er kletterte wieder vom Stuhl, wobei er sich vor Lachen die Seiten halten mußte. »Ich habe meinen Beruf verfehlt, daran besteht kein Zweifel.«
»Findet ihr nicht auch«, erkundigte sich Nicholas, »daß an dieser Kostümprobe etwas komisch war?«
»Man verleihe diesem Mann den Barbara-Cartland-Preis für Untertreibung.«
»Ich meine komisch im Sinne von seltsam. Ich kann nicht ganz glauben, daß all diese Mißgeschicke Unfälle waren.«
»Oh, ich weiß nicht so recht. Es gibt eben zuweilen solche glanzvollen Abende wie jenen«, widersprach Tim. »Erinnere dich mal an die Premiere von Gaslicht.«
»Und die Everards. Sie werden immer überheblicher«, fuhr Nicholas fort. »Diese Bemerkung über den Gulli. Ich weiß nicht, wie sie das wagen konnten.«
»Sie wagen es, weil sie unter Esslyns Schutz stehen. Obwohl ich sagen muß, daß es mir ein absolutes Rätsel ist, was er an ihnen findet.«
»Erzähl mir bloß nichts«, beklagte sich Nicholas mit einem schmollenden Unterton, »über Geheimnisse.«
»Du wirst doch jetzt nicht etwa wieder davon anfangen«, stöhnte Avery.
»Entschuldige, aber ich sehe nicht ein, warum ich nicht mehr davon anfangen soll. Ihr habt versprochen, mir von eurem Geheimnis zu erzählen, wenn ich euch meines sage.«
»Und das werde ich auch tun«, versprach Tim. »Noch vor der Premiere.«
»Aber vor der Premiere ist jetzt.«
»Wir sagen es dir, wenn es soweit ist«, erklärte Avery, »und das ist ein Versprechen. Aber du darfst es auf keinen Fall weitererzählen.«
»Das ist gemein. Ich habe euch doch auch vertraut, und ihr habt dichtgehalten... oder etwa nicht?«
»Natürlich«, versicherte ihm Tim sofort, aber Avery schwieg. Nicholas sah ihn mit fragend hochgezogenen Augenbrauen an. Averys wäßrig blaue Augen wanderten unruhig herum, blieben an den restlichen Käsekrümeln hängen, den Walnüssen, an allem anderen, nur nicht an Nicholas, der ihn mit einem direkten Blick musterte.
»Avery?«
»Na ja...« Avery lächelte ein wenig verschämt. »Ich habe es nicht wirklich jemandem erzählt. Sozusagen.«
»O Gott, was meinst du mit >sozusagen«
»Ich habe so eine Art Bemerkung gemacht... aber nur gegenüber Boris. Er ist ja die Diskretion selbst, wie ihr wißt.«
»Boris? Da hättest du auch gleich Flugblätter drucken und sie auf der High Street verteilen lassen können!«
»Das ist aber noch lange kein Grund, in diesem Ton mit mir zu reden«, schrie Avery genauso laut. »Wenn die Leute nicht wollen, daß man es
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